Wieder mit einem Bein im Westen

Wenn bei der Jahresbilanz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), immerhin die größte deutsche Kulturinstitution, nach einer Dreiviertelstunde erstmals über kommende Ausstellungsprojekte gesprochen wird, dürfte das ein Indiz sein, dass Museumsevents 2010 nicht ganz oben stehen bei der Stiftung. Das ist umso merkwürdiger, versammeln die SPK und ihre Staatlichen Museen doch 19 große Häuser in Berlin – darunter das Pergamonmuseum oder die Gemäldegalerie. Zudem war 2009 ein Jahr wirklicher Ausstellungserfolge, darunter die „Rückkehr der Götter“ auf der Museumsinsel mit 500.000 oder der Surrealismusschau „Bilderträume“ am Kulturforum mit 200.000 Besuchern.

Die Stiftung samt Staatlichen Museen geht 2010 hauptsächlich unter die Bauunternehmer, wie SPK-Präsident Hermann Parzinger am Dienstag sagte. Fast die Hälfte des Etats in Höhe von 260 Millionen Euro fließen in die Museumserweiterungen, „die sich die nächsten Jahre hinziehen werden“. Die aktuellen Vorhaben des „Masterplans Museumsinsel“ – das Pergamonmuseum samt neuer Flügel oder der Bau der James-Simon-Galerie – kommen in die entscheidende Phase. Der Konzentration auf die Substanz der Häuser von Parzingers Vorgängern folgt nun der Bau der „Grand Projets“ der SPK.

Die Architektur hat also auch 2010 Priorität bei der SPK. Sie ist damit zugleich ein „Exponat“, wie es das von David Chipperfield rekonstruierte Neue Museum war. Das war 2009 eröffnet worden und ist seither „die Perle“ auf der Museumsinsel, so Parzinger. 266.000 Besucher in drei Monaten „überrannten“ förmlich das Neue Museum, in dem die Ägyptischen Sammlungen untergebracht sind.

Dass selbst bei der Stiftung die Aufregung um das Stadtschloss-Projekt alias Humboldtforum da etwas ins Hintertreffen geriet, verwundert somit nicht. Zumal Michael Eissenhauer, Chef der Staatlichen Museen, seinen Job auch in der Renaissance des Kulturforums und der Neuen Nationalgalerie am Potsdamer Platz sieht. Diese „zweite Museumsinsel Berlins“ müsse als Standort für die Kunst der Moderne „deutlich profiliert werden“.

Das ist ein neuer Ton. Eissenhauer und sein Ausstellungsmacher Udo Kittelmann bringen damit ein ganzes System – „alles in die Mitte“ – ins Schlingern. Die Berliner Museumslandschaft soll ab 2010 wieder ein Bein im Westen auf den Boden kriegen. Kittelmann wird dort mit „Who Knows Tomorrow“ afrikanische Kunst zeigen und weiter mit den „eigenen Sammlungen“ arbeiten. MoMA etc. sind Geschichte.

ROLF LAUTENSCHLÄGER