Die afrikanische Tüpfelhyäne und ihre Filmproduktionsgesellschaft

Wenn Peter Weibel, heute Chef des Zentrums für Kunst und Medien (ZKM) in Karlsruhe, vor dem damaligen Pina-Bausch-Star Mechthild Grossmann, heute Staatsanwältin Wilhelmine Klemm im „Tatort“ aus Münster, zu Boden geht und sie anfleht: „Ich möchte deine Toilette sein“; wenn Susie Sexpert einer in sexuellen Dingen etwas naiven Journalistin aus Hamburg in San Francisco stolz ihre Dildosammlung vorführt und ihr erklärt, dass mit Kondom ein einzelner Dildo prima auch unmittelbar hintereinander gleich mehrfach zum Einsatz zu bringen ist; wenn das Urvieh des Neuen Deutschen Films, Alfred Edel, im New Yorker East Village sich von der Sexperformerin Annie Sprinkle in die Reize des Transsexualismus einweihen lässt; wenn ein umoperierter Mann vor der Kamera stolz seine Narben zeigt, die alles sind, was ihm von seinen weiblichen Brüsten blieb – wenn man also dies, das oder jenes in einem Film sieht, dann kann man recht sicher sein: Es ist ein Werk der Hamburger Filmemacherin Monika Treut.

„Hyena Films“ hat sie ihre Produktionsgesellschaft genannt. Die afrikanische Tüpfelhyäne ist das Wappentier – eine Spezies, bei der sich in Sachen Geschlecht manches anders verhält als im christlichen Abendland eingeübt und gewohnt. Die weiblichen Tiere sind größer als die männlichen und haben eine gewaltige, sehr penisähnliche Klitoris; die Tüpfelhyänengesellschaft ist matriarchal organisiert, und sogar die Biologen macht dieses andersgeschlechtliche Wesen, seit sie ein Auge darauf haben, stutzig. Für Treut das perfekte Emblem: Ohne sich ausschließlich auf das Thema festzulegen, befasst sich die Filmemacherin, mal in fiktionalen, mal in dokumentarischen Formaten bevorzugt mit Geschlechterverhältnissen, die die hergebrachte sexuelle Ordnung (und zwar meist fröhlich) unterlaufen.

Eine Box versammelt auf DVD nun fünf von Treuts Filmen und zeichnet ein Bild ihres Schaffens, beginnend mit dem 1985 entstandenen Spielfilmerstling „Verführung: Die grausame Jungfrau“. Ursprünglich ein Projekt der Filmemacherin und Kamerafrau Elfi Mikesch, die Treut als Expertin für den Gegenstand zur Mitarbeit bei Drehbuch und Regie einlud. Bei fast allen Treut-Filmen – die Ausnahme ist der jüngste, „Ghosted“, von 2009, nicht in der Box – blieb Elfi Mikesch fortan die Kamerafrau. „Verführung: Die grausame Jungfrau“ ist ein Spielfilm nach Motiven aus Sacher-Masochs Klassiker „Venus im Pelz“. Über Sacher-Masoch (und de Sade) hatte Monika Treut ihre Dissertation geschrieben, so führte der Weg von der Uni zum Film.

In meist ziemlich schräg stehenden Einstellungen halten sie und Elfi Mikesch den Kunstanspruch in „Verführung“ unmissverständlich fest. Nicht weniger artifiziell inszeniert Mechthild Grossmann als Wanda im Film ihre sadomasochistischen Bühnenshows. Udo Kier, der in einem solchen Kontext nicht fehlen darf, ist ihr Sklave, Carola Regnier die schlussendlich verstoßene Liebhaberin.

Der Kritiker und Filmemacher Hans C. Blumenberg lobt den Film damals in der Zeit und ist dann auch drei Jahre später im Nachfolger „Die Jungfrauenmaschine“ als Widerling am Telefon prompt selbst im Bild.

Kurz nur, denn dann bewegt sich der Film nach San Francisco. Dort geht Monika Treut, als sie in den späten Neunzigern dann „Gendernauts“ dreht, längst ein und aus. In Gender-Studies-Departments von US-Universitäten ist sie ein gern gesehener Gast. Einschlägige Festivals zeigen ihre einschlägigen Filme, „Gendernauts“ nicht zuletzt, eine vom naiv-emphatischen Westküstengeist vielleicht etwas allzu stark durchdrungene Doku über Protagonisten der Transsexuellen- und Transgender-Szene von San Francisco. Der jüngste Film in der Box, „Kriegerin des Lichts“ (2001), hat dann einen anderen Fokus: Er ist ein Porträt der Künstlerin, Hoteliersgattin und Aktivistin Yvonne Bezzerra de Mello, die Kindern aus den Slums von Rio de Janeiro in aufopferungsvoller Arbeit bessere Lebenschancen zu geben versucht. Gerade kein typischer Treut-Film; sehr sehenswert ist er schon. EKKEHARD KNÖRER

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