In die falsche Buchse gestöpselt

CLUB TRANSMEDIALE Wie es weitergeht mit der Musik und ihren Machern, darüber wird auf dem Berliner Club Transmediale gesprochen

VON ANDREAS HARTMANN

Den Berliner Musiker und Softwaredesigner Robert Henke hat der Besuch des Films „Avatar“ zum Nachdenken gebracht über den Status quo von Musik heute. In einer der ungezählten Gesprächsrunden, „Lectures“ und „Panels“, die das Musikprogramm des diesjährigen Club-Transmediale-Festivals in Berlin begleiten, erzählt er, wie er in James Camerons rauschhaften 3-D-Bilderwelten die Zukunft des Kinos gesehen hat. Dabei überkam ihn aber das Gefühl, dass für die entgrenzte Leinwand keine akustische Entsprechung gefunden wurde. „Der Sound kommt in ‚Avatar‘ von links und rechts, und man hört es“, sagt Henke, „dabei müsste er von überall her kommen.“

Wie lässt sich der Ereignischarakter einer Sounderfahrung mithilfe technischer Möglichkeiten steigern? Das ist so eine Frage, die immer wieder durch die Gesprächsrunden des Festivals geistert. Gleichzeitig wird aber auch unter den Musikern und Klangerzeugern dauernd die Angst angesprochen, die gerade auch den allgemeinen Diskurs im Umgang mit den neuen Medien beherrscht: Wie bleibt man souveräner Akteur im Umgang mit den Maschinen? Wie schafft man es, sich in einem Meer aus Möglichkeiten auf das Wesentliche zu konzentrieren?

Immer noch komme es darauf an, all die bunten Dinge aus der Software- und Gerätewelt nach eigenem Gusto zu verwenden, so legt Henke nah. Nur dann könne auch neue Musik entstehen. Als Beispiel führt er an, wie er vor vielen Jahren einem Drum-&-Bass-Produzenten über die Schulter geschaut hat, um zu sehen, wie er diesen irren Sound hinbekam. Der stöpselte seine Geräte einfach in die falschen Ausgänge seiner Steuerungseinheiten, die Pegel spielten verrückt, und genau das ergab den wahnsinnigen Klangbrei, der erwünscht war.

Was der diesjährige Club Transmediale vorantreibt, ist ein Reden über Musik in Koppelung an ihre technischen, sozialen und kulturellen Bedingungen. Der Prozess steht dabei mehr im Vordergrund als das Ergebnis. In der letzten Zeit war viel die Rede davon, dass Popmusik an gesellschaftlicher Sprengkraft eingebüßt habe. Gleichzeitig wurde darüber gesprochen, dass mit dem Niedergang der Musikindustrie der Musikschaffende als autonom arbeitender Künstler bedroht sei. Nun wird in Berlin, an diese Diskussionen anschließend, versucht, weiter der Frage nachzugehen, wie der Soundkünstler von heute damit umgeht, dass er allein vom Plattenproduzieren nicht mehr leben kann. Welche neuen Strategien hat er sich bereits überlegt, welche könnten sich noch ergeben? Man verkauft heute seine Sounds an Handyanbieter oder verdingt sich am Theater beispielsweise. Oder die Computerspieleindustrie: ein wahres Eldorado für Soundforscher. Eine kleine Computerspieleausstellung gibt es im Rahmen des Club Transmediale, und bei „Guitar Hero“ bekommt man spielerisch vorgeführt, wo Musik bereits heute jenseits der vom Aussterben bedrohten Tonträger überall zu finden ist.

Der Club Transmediale, gerne als Berlins aufregendstes Festival bezeichnet, hat sich im zehnten Jahr seines Bestehens neu erfunden. War er früher eher Teil des parallel stattfindenden Medienkunstfestivals Transmediale, hat er sich nun so mit seinen Spielorten in der Stadt verteilt, dass er nun die weit öffentlichkeitswirksamere Veranstaltung ist. Die Panels sind gut besucht, die Clubkonzerte voll. Und wie beispielsweise der Auftritt der Mantra-Metaller OM bewiesen hat, kann man immer noch gut all das Gerede über Softwareengineering und Sound-Content einen Moment lang vergessen, wenn ein mächtiger Bass auf ein virtuos geprügeltes Schlagzeug trifft.