Wir schaffen Raum für die Sexkultur

„Wirbel um Sex-Orgie im Wiener Museum“. Das Boulevardblatt Österreich schlug am Montag Alarm. In die altehrwürdige Secession, das um 1900 von Gustav Klimt und anderen Jugendstil-Avantgardisten in Abgrenzung zum künstlerischen Establishment gegründete Kunsthaus in Wien, ist ein Swinger-Club eingezogen.

Die japanischen Touristinnen, die Klimts berühmtes Beethoven-Fries im Souterrain des Hauses bewundern, sind sichtlich erstaunt. Umringt von künstlichen Palmen, bildet eine Lustwiese das Zentrum des sonst erhabene Leere atmenden Raums. Ein ausgestopfter Löwe und ein Achtenderhirsch neben dem Pepsi-Automaten sorgen für exotisches Flair. Man befindet sich im Element6, laut Presseinformation „eine Bar und ein Club für Swinger und andere Paare und Singles, die sexuelle Anregungen suchen, Phantasien ausleben oder sich auch nur darüber unterhalten wollen. Wir bieten Raum für (nicht kommerzielle) erotische Kontakte.“ Die unteren Räumlichkeiten haben sich in einen Nachtklub verwandelt. Eine kleine Bühne ist gesäumt von zwei marmornen Säulen aus Pappe und bietet den Go-go-Girls, die hier ihre Verrenkungen zeigen können, eine Stange zum Halten. Im Schoß der gipsernen Nymphe auf der Bar kann man bei Bedarf ein Kondom finden. Das kann gut brauchen, wer sich mit jemandem in eines der zahlreichen Separees zurückziehen will.

Untertags sind die Gemächer als Ausstellung zu besichtigen, von 21 bis 4 Uhr füllen sie sich mit echten Swingers oder Neugierigen, die einmal in das Milieu hineinriechen wollen. Wie groß die Swingerszene in Wien ist, kann der Eventmanager Thomas Hetlinger nicht sagen, aber „es werden immer mehr und mehr“. Bei der Eröffnung am Samstag hat er „studentisch aussehende“ junge Frauen beobachtet, die zuerst sehr schüchtern gewesen seien, aber sich dann schnell geöffnet hätten. Dem medienscheuen Schweizer Künstler Christoph Büchel gehe es mit seiner Installation schließlich auch darum, „das Ganze zu entmystifizieren“, so Hetlinger. Er legt Wert auf die Klarstellung, dass für den Klubbetrieb keinerlei öffentliche Subventionen geflossen seien. Die konservative Bezirksvorsteherin Ursula Stenzel, die die Ausstellung genehmigen musste, weil sie die üblichen Sperrstunden überschreitet, zeigte sich empört. Sie habe erst aus der Zeitung erfahren, „dass in der Secession tatsächlich Obszönitäten betrieben werden“.

RALF LEONHARD

■ Bis 18. April 2010

www.element6.at