Königin der Herzen

IM LUISENJAHR Mehr Aufklärung als monarchistischen Kult vermittelt die Ausstellung „Luise. Leben und Mythos der Königin“ in Berlin

Bei näherem Hinsehen aber stehen Leben und Legende bei Luise bisweilen im Kontrast

VON RONALD BERG

André Schmitz, Berlins Staatssekretär für Kultur, brachte es fertig, zum Pressetermin gefühlte 50-mal den Satz „Ich freue mich“ zu verkünden. Dabei blieb etwas unklar, ob sich Berlins offizieller Schöngeist in Sachen Kultur nun darüber freute, dass Berlin nicht nur die alten Hohenzollernschlössern wieder aufbaut, sondern nun auch den einst darin residierenden Monarchen wieder huldigt, oder ob er die aktuelle Ausstellung zur Preußenkönigin meinte. Denn die versucht nun gerade, Kult und Mythos um die Frühverstorbene zu unterlaufen und aufzuklären. Das passiert moderat und sachlich, aber eben unter Aufbietung all der heiligen Reliquien wie Haarlocken und Totenmaske, die sich mit dem Mythos der Königin verbinden.

Trotz allen Aufklärungswillens kann Luise so noch einmal instrumentalisiert werden: nämlich als Touristenmagnet im „Luisenjahr 2010“, das mit gleich drei Ausstellungen lockt. Im Mai werden sich zeitgenössische Künstler auf der Berliner Pfaueninsel mit der „Inselwelt der Königin“ beschäftigen, und im Juli gibt es die „Kleider der Königin“ im havelländischen Paretz zu sehen, Luisens Sommersitz. Im Vergleich zum Luisenkult des 19. Jahrhunderts bleibt das Gedenken zum 200. Todestag der Königin allerdings bescheiden.

Luise, eine aus mecklenburgischem Geschlecht stammende Prinzessin, wurde in Preußen tatsächlich verehrt wie eine Heilige, sie galt als Vorbild für deutsche Mütter und Inbegriff bürgerlichen Familiensinns. Ihre Schönheit, die Liebesheirat mit Friedrich Wilhelm III. und ihr tragisch früher Tod waren der Stoff, aus dem Legenden gewebt werden und Mythen entstanden. „Der Mythos“, so schreibt es Ausstellungskurator Philipp Demandt im Katalog, „ist die Form, in der Geschichte wirksam wird.“

Das Beste blieb ungemalt

Demzufolge setzen er und Rudolf Scharmann, Chef der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, ein mythisches Bild gleich an den Anfang ihrer Ausstellung im Schloss Charlottenburg. Hier begegnet dem Besucher Luise zuerst in einer von Matthias Koeppel 1984 gemalten Version des populären Doppelstandbildes von Luise mit Schwester Friederike, das Johann Gottfried Schadow 1795/96 schuf: Zwei New-Wave-Schwestern in kurzen Hosen und mit Ghettoblastern. An den Wänden ringsum prangen Schlagworte der Luisen-Mythologie: „Schönste der Schönen“, „Schutzgeist deutscher Sache“, „edelste Frau der Geschichte“. Der Superlativ war für Luise gerade gut genug.

Bei näherem Hinsehen aber stehen Leben und Legende bei Luise bisweilen im Kontrast. Nur lässt sich das nicht immer anschaulich zeigen. Alltag und Gewohnheiten der Königin – ihr spätes Aufstehen, ihre ausbaufähige Bildung oder ihr unspektakuläres Eheleben mit gemeinsamer Lektüre am Abend – waren den Künstlern kein Thema wert.

Die Ausstellung behilft sich deshalb mit Wand-Zitaten: Man liest von der Vernachlässigung ihrer Mutterpflichten, womit der Freiherr von Stein Luises für damalige Verhältnisse antiautoritäre Erziehung kritisierte. Fontane schimpfte „Mehr als durch die Verleumdung ihrer Feinde hat sie von der Phrasenhaftigkeit ihrer Verherrlicher zu leiden gehabt.“ Kritisch gegenüber Luise hielten sich etwa die Sozialdemokraten, denn Luise wurde politisch vornehmlich von Konservativen, Royalisten, Nationalisten und Reaktionären vereinnahmt. Noch Goebbels missbrauchte Luise in Durchhaltefilmen wie „Kolberg“.

Der Mythos der Luise, so muss man die Ausstellung lesen, überwiegt das Leben ganz übermächtig. Schon die zu Lebzeiten entstandenen Porträts geben in der Regel eine idealisierte Gestalt wieder. Von Luises Anmut und Schönheit wird zwar immer wieder berichtet, aber die Frau hatte für damalige Verhältnisse ungewöhnliche Maße: Schuhgröße 41, über 1,70 Meter groß und kräftige Glieder. Schadows berühmtes Doppelstandbild zeigt noch einen Teenager, während seine realistischer Kreidezeichnung von 1802 schon eine deutlich rundere Luise vorstellt.

Die posthumen Bildnisse zeigen Luise dann je im Geschmack der Zeit. Am auffälligsten vielleicht im Skulpturenpaar der Begegnung von Luise mit dem gnomhaften Napoleon, dem Sieger über Preußen und „Quell des Bösen“, wie ihn Luise nannte. 1899 entstanden, gibt Luise hier ganz eine stolze Germania. Dem politisch folgenlosen Treffen von Luise und Napoleon in Tilsit ist ein eigenes Kapitel der Schau gewidmet, da Luisens Bitte um Gnade für ihr Land sogleich als Opfergang verklärt wurde.

Geschwind in den Himmel

Angeblich starb sie denn auch an gebrochenem Herzen – und nicht an banaler Lungenentzündung. Dem Tod der „Königin der Herzen“, wie August Wilhelm Schlegel sie nannte, folgte erst eine ungeheure Trauer bei Volk und König, bald aber eine Auferstehung als Schutzgeist Preußens. Ihre Himmelfahrt wurde schon 1810 gemalt.

Im kollektiven Gedächtnis blieb Luise als Idol präsent. Dass ihr andere Kultfiguren heute den Rang ablaufen, liegt nicht etwa an einem geringeren Bedürfnis nach Idolen. Nur die Rollenvorbilder haben sich gewandelt. Die tugendhafte Christin, die bürgerliche Mutter oder die Dulderin sind heute nicht mehr so gefragt. In jüngster Zeit dient Luise offenbar am ehesten einer schwulen Ästhetik zum Vorbild. Der Künstler Martin von Ostrowski macht dabei in weißen Frauenkleidern und mit dem Bekenntnis „Ich weihe mein Leben Königin Luise“ aus sich allerdings eher eine Witzfigur.

■ „Luise“ im Schloss Charlottenburg in Berlin, bis 30. Mai 2010. Infos zum Rahmenprogramm unter www.spsg.de