Film über japanisches Kriegsverbrechen: Der Schindler von Nanjing

1937 verübte Japan ein Massaker im chinesischen Nanjing. Der Deutschen John Rabe rettete dabei viele Menschen. Doch der Film "City of Life and Death" findet keinen deutschen Verleih..

Bei Dreharbeiten von „City of Life and Death“: Zu sehen ist die Lehrerin Fräulein Jiang (Yuanyuan Gao). Bild: david gray/reuters

Kein Zweifel: John Rabe hat sehr viel für die Menschen von Nanjing getan. Als offiziell "befreundeter Alliierter" der Japaner erklärte er sich während der sechswöchigen Belagerung um die Jahreswende 1937/38 bereit, die Leitung der internationalen Schutzzone zu übernehmen. Auch wenn er Menschen in seiner Obhut nicht vor den Übergriffen der japanischen Soldaten schützen konnte - Rabe ist es zu verdanken, dass wahrscheinlich einige zehntausend Zivilisten das Massaker von Nanjing überlebten. Daran zweifelt der chinesische Regisseur Lu Chuan auch nicht. Doch ein Held war John Rabe aus seiner Sicht nicht. Rabe sei ein guter Deutscher gewesen, sagte Lu in einem Interview mit dem Spiegel, "aber ein schwacher".

Lu Chuans Schwarzweißfilm "City of Life and Death" handelt von dem Massaker, das die japanischen Truppen während der Belagerung der südchinesischen Stadt Nanjing begangen haben. Sie töteten mehr als 300.000 Chinesen. Zwischen 20.000 und 80.000 Frauen und Kinder wurden vergewaltigt. Der deutsche Kaufmann John Rabe, aus Karrieregründen NSDAP-Mitglied, lebte zum Zeitpunkt der Invasion bereits 27 Jahre mit seiner Frau Dora in China. Er leitete die dortige Siemens-Niederlassung, als am 13. Dezember 1937 japanische Divisionen in einem Blitzkrieg die damalige Hauptstadt der nationalchinesischen Kuomingtang eroberten.

Die wenigen damals in Nanjing verbliebenen Ausländer richteten eine knapp vier Quadratkilometer große Sicherheitszone ein, in der rund 200.000 Zivilisten Schutz vor den japanischen Soldaten fanden. Rabe wurde deswegen zum Vorsitzenden des Internationalen Komitees gewählt, weil ihm noch am ehesten zugetraut wurde, Einfluss auf die mit Nazi-Deutschland verbündeten Besatzer zu nehmen.

Historisch erwiesen ist die Szene, als Rabe bei einem der japanischen Luftangriffe auf seinem Grundstück eine riesige Hakenkreuzfahne aufspannen lässt, unter der die chinesischen Flüchtlinge vor den Bombardements Schutz finden.

Doch für Lu Chuan ist John Rabe nur einer von vielen. Und das unterscheidet "City of Life and Death" etwa von der deutschen Verfilmung von Florian Gallenberger, die eine Woche nach der chinesischen Premiere im Frühjahr 2009 unter dem Titel "John Rabe" sowohl in die deutschen als auch in die chinesischen Kinos kam. Während Gallenberger den von Ulrich Tukur gespielten "Oskar Schindler von Nanking" als selbstbewussten, anpackenden und entschlossenen Macher darstellt, der zumindest nach außen hin keine Schwäche zeigt, ist Rabe in Lu Chuans Verfilmung bloß ein alter, gebrechlicher Mann mit grauen Haaren, der sich bei den japanischen Besatzern kaum durchzusetzen vermag. Und deswegen ist Rabe in Lus Verfilmung auch nur eine Figur unter einem halben Dutzend anderer Protagonisten.

So geht es zum Beispiel auch um Tang, Rabes Assistenten, der verzweifelt versucht, wenigstens seine Familie zu retten - trotzdem jedoch nicht verhindern kann, dass die kleine Schwester seiner Frau zu Tode vergewaltigt wird. Es geht um den jungen General Lu, der zu Beginn des Films mit seiner Einheit noch erbittert Widerstand leistet - und dann in einer Massenexekution erschossen wird. Und es geht um die junge Lehrerin Jiang, der es gelingt, zumindest einige zum Abschuss freigegebene Chinesen doch noch in letzter Minute in die Sicherheitszone zu schmuggeln. Eigentlich war Regisseur Lu von der chinesischen Regierung beauftragt worden, ein Geschichtsdrama über die Helden von Nanjing zu drehen. Das hatte er auch vor. Doch im Zuge seiner Recherchen stellte er fest: Während des Nanjing-Massakers hat es überhaupt keine Helden gegeben.

Vor allem aber beschreibt Lu Chuan die traumatischen Ereignisse aus Sicht von Kadokawa, einem schüchtern und romantisch veranlagten japanischen Soldaten, der zunächst eher gleichgültig die Gräueltaten seiner Kameraden verfolgt, am Ende des Films sich dann aber aus Verzweiflung selbst erschießt. Gerade diese Perspektive hat in China für sehr viel Aufregung gesorgt. Als "Vaterlandsverräter" wurde Lu kurz nach Erscheinen in Internetforen bezeichnet. Als jemand, der das Massaker verharmlosen würde - und zwar im Sinne der Japaner. Noch immer wird das Massaker in japanischen Geschichtsbüchern verschwiegen. Lu Chuan betont, dass die japanischen Soldaten keineswegs nur mordende Bestien waren. Zahlreiche Tagebücher japanischer Soldaten hat er eigenen Aussagen zufolge während seiner Recherchen gelesen. "Ich kam zu dem Schluss: Sie sind Menschen in Uniform", sagt er. Und er könne keineswegs ausschließen, dass Chinesen eines Tages nicht das Gleiche tun.

Die regierende Kommunistische Partei in China, die sich nach der Machtübernahme 1949 keine allzu intensive Debatte über das Massaker wünschte und bis heute ein verkrampftes Verhältnis zu dem blutigen Ereignis hat, gab ihm immerhin Recht. "City of Life and Death" ist einer der wenigen Filme zu diesem Thema, das durch die Genehmigungsverfahren der staatlichen Zensurbehörden gekommen ist. An Zustimmung mangelte es denn auch nicht.

Bereits drei Wochen nach dem Filmstart im April 2009 spielte "City of Life and Death" 20 Millionen US-Dollar ein. In China gilt er inzwischen als einer der größten Kassenschlager der vergangenen Jahre. In Deutschland bleibt das Interesse an einem der größten Verbrechen des 20. Jahrhunderts gering. Schon Gallenbergers "John Rabe" war in den deutschen Kinos ein Flop. Ganze sieben Zuschauer zählte eine Vorführung von "City of Life and Death" beim ansonsten gut besuchten Braunschweiger Filmfest im November 2009. Einen Verleih hat Lu Chuan im Heimatland des "Schindlers von Nanjing" bis jetzt nicht gefunden.

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