HÖRGEWOHNHEITEN
: Theater gegen Bundesnetzagentur

Vor ungefähr einem Jahrzehnt war noch ein gewissermaßen organisches oder biologisches Kriterium entscheidend dafür, ob man gern ins zeitgenössische Theater ging: Nämlich wie gut man hörte oder ob man sich Karten vorne leisten konnte. Denn in den hinteren Reihen war es oft schwierig, gerade für die sonst durch elektronische Verstärkung verwöhnten Ohren, den Schauspielern unplugged akustisch zu folgen.

Dann begann der Siegeszug der Mikroports, jener kaum sichtbaren Mikrofone, die Sängern und Schauspielern an der Backe kleben und die die Sprechweisen des Theaters verändert haben. Selbstvergessenes Wispern, intime Dialoge sind überall im Zuschauersaal zu hören; die Trennung von Körper und Stimme kam aber auch einem postdramatischen Verständnis vom Umgang mit Rollen zugute, der Verselbstständigung der Sprache, dem vielstimmigen Oratorium à la Elfriede Jelinek – kurz: Dem technisch Machbaren folgte eine veränderte Ästhetik.

Doch der technische Fortschritt hat seinen Preis, und die Kosten dafür sind nicht immer gleich ersichtlich. Theater, Opern- und Musicalhäuser benutzen dafür einen Frequenzbereich, 790–862 Megahertz, der jetzt von dem öffentlichen Frequenzversteigerungsverfahren durch die Bundesnetzagentur betroffen ist. Dass ihre Abhängigkeit von diesen Frequenzen überhaupt nicht erwähnt wird, ärgert die Theater gewaltig. Eine parallele Nutzung der Frequenzen von Kulturveranstaltern und Mobilfunk ist nicht möglich. Deshalb protestiert der Deutsche Bühnenverein gegen die Versteigerung und fordert ihren Stopp – was allerdings wie eine symbolische Aktion aussieht.

Betroffen ist nicht nur die Verstärkung der Stimmen, auch die Bühnentechnik wird häufig über Funksignale gesteuert. Sind die Frequenzen verkauft, müssen die Veranstalter auf andere umrüsten, was ein kleineres Dreispartenhaus nach einer Beispielrechnung des Bühnenvereins 300.000 Euro kosten kann. Ob der Bund, dem ja der Gewinn aus der Versteigerung zugutekommt, davon einen Topf einrichten könnte, um Theater und Kommunen bei der Umrüstung zu unterstützen, wollte der Bühnenverein deshalb schon vor einem Jahr wissen. Aber der Bund kann sich da ganz entspannt zurücklegen, haushaltstechnisch ist er auf der sicheren Seite, seine Einnahmen bleiben unberührt von möglichen Folgekosten der Versteigerung. Logisch ist das nicht, juristisch abgesichert schon.

Dann muss man wohl als Theaterzuschauer womöglich demnächst die Anschaffung eines Hörgeräts erwägen – hoffentlich funksignalfrei.

KATRIN BETTINA MÜLLER