Der Bürgermeister vom Schrottplatz

MUNICH DISCO DJ Dompteur Mooner mischt das Münchner Nachtleben mit genial-bescheuerten Guerilla-Partys auf

„Münchens schlechten Ruf kann man als Deckmantel für alles Mögliche benutzen“ (Mooner)

VON ELIAS KREUZMAIR

Rollschuhe. Diesmal brauchen sie unbedingt Rollschuhe. Am besten alte Discoroller aus den Siebzigern und mindestens 100 Stück davon. „Ich habe schon jede Ortschaft in Bayern zusammen mit ‚Rollschuhe‘ bei Google eingetippt“, sagt Mooner. Die Ausbeute ist mager: Eine 80-jährige Dame aus Salzburg will bis zu 35 Euro pro Stück und hat nur Größen von 30 bis 40.

Die Rollschuhe braucht Mooner für die „Zombocombo“ – seit Jahren die spannendste Institution im Münchner Nachtleben. Die Zombocombo, die Mooner mit seinen Kollegen DJ Kaput, Pollyester und Kitt Bang jeden Monat veranstaltet, ist die discotaugliche Kombination aus Kunstaktion und Kinderfasching. „Der Gast weiß nicht, was passiert, wann es passiert, und ob er nicht einfach schon Teil einer Performance ist – und davon nichts merkt.“

Mooner & Co dekorieren den Raum je nach Motto – sei es White Wedding, Rentnertreff oder eben Rollerderby – mit Trash und DIY-Kunst. Dazu bieten sie bei jeder Zombocombo verschiedene Performances: Sie verheiraten ihr Maskottchen, einen Betonmischer in Discokugel-Outfit namens „Zombola“, oder lassen die Rekruten der „Bavarian Police Academy“ Schießübungen auf Würstchen und Bierkrüge veranstalten. Es sind Partys mit Abgründen und unberechenbarem Ausgang: „Was wir bei Zombocombo machen, ist auf jeden Fall grober Unfug. Es kann auch sein, dass wir sagen, wir machen das Thema ‚Neandertaler‘, und alle als Neandertaler verkleidet kommen – und wir machen dann einfach das Thema ‚Behindert android‘.“

Mooner ist die vielleicht kreativste Figur in der Münchner Szene zwischen Party und Kunst. Kein Wunder, dass ihm das schnöde DJ vor seinem Künstlernamen nicht mehr als passend erschien und er es deshalb kurzerhand durch das ungleich glamourösere „Dompteur“ ersetzte. Sein Traumjob? „Eine Mischung aus Bürgermeister und Schrottplatzbesitzer.“

Am Beginn seiner Aktivitäten steht die Künstlergruppe GNAM. In der Gruppe, deren Akronym man laut Mooner entweder durch „gewesene Mechanismen, androide Mutationen“ oder durch andere Wörter mit passenden Anfangsbuchstaben auflösen kann, war er schon zu Schulzeiten aktiv. Neben Guerilla-Aktionen im Sinne der Situationistischen Internationale in der Münchner Fußgängerzone veranstaltete GNAM illegale Partys in einer alten Fabrik – frühe Vorläufer der Zombocombo-Veranstaltungen.

Nach der Schule versucht sich Mooner, Jahrgang 1972, an der Münchner Kunstakademie. Seine Kunst sind seine Partys und seine Musik. Die Professoren an der Akademie zeigen jedoch wenig Verständnis für die Aktionen Mooners: „Sie haben mich dazu verdonnert, erst einmal malen und zeichnen zu lernen. Ich fand das die totale Frechheit.“ Mooner macht also weiter – mit der Musik und den Partys.

Das führt 1998 zu einem unerwarteten Erfolg. Der Münchner Über-DJ Hell entdeckt Mooner und veröffentlicht das Album „Leichenschmaus“, das Mooner als Teil des Duos Zombie Nation aufnahm, auf seinem Label. Auf dem Album ist der Track „Kernkraft 400“, der ein europäischer Top-Ten-Hit wird.

Schon kurz darauf wandte sich Mooner wieder vom Techno ab und gründet zusammen mit der englischen Künstlerin und Musikerin Miss Le bomb den „Club le Bomb“. In einem Kellerraum in der Münchner Innenstadt laden sie mitten im Technohype einmal die Woche zu Punkrock und Performance.

Dort perfektioniert Mooner seine DJ-Künste. Er entwickelt das Wildstyle-Mixing. Das besteht im Wesentlichen aus der Weigerung, ein guter DJ zu sein: „Es ging darum, absichtlich möglichst schlecht aufzulegen, nicht zu mixen und ganz schlimme Stilbrüche machen.“ Wie schon bei GNAM und später bei der Zombocombo geht es um die Party am Rand zur Kunst.

Dompteur Mooners „Zombocombo“ kombiniert discotauglich Kunstaktion und Kinderfasching

Aber nicht nur die Art, wie Mooner die Tracks mischt, ist unkonventionell. Auch seine Musikauswahl ist ungewöhnlich. Am Ursprung seiner musikalischen Prägung steht die psychedelisch geprägte Plattensammlung seiner Mutter. Deren Vorlieben vermischen sich mit dem, was Mooner als Jugendlicher auf den Cosmic-Partys in München hört. Dort wird Kraftwerk mit Bob Marley gemixt und Bongos mit Krautrock – eigentlich untanzbar. Dennoch kommen 2.000 bis 3.000 Leute, die Mitschnitte der obskuren Mixes sind begehrt. Playlists für die Tapes existieren nicht, viele der Tracks sind schon damals schwer zu finden. Bei Mooner weckt das die Sammlerneugier.

Für sein Label Erkrankung durch Musique edierte er Rare Tracks 1979–1982 von Conrad Schnitzler, einem Pionier der elektronischen Musik und als Gründer des legendären Berliner Zodiac-Clubs Mooners Partybruder im Geiste. Für die „Elaste“-Reihe des Münchner Compost Labels hat er bereits zwei Compilations mit Musik aus den 80ern, größtenteils Cosmic, Italodisco und New Wave, erstellt.

Für alle seine Aktivitäten bietet München eine ideale Plattform – gerade weil sie auf den Hipness-Hitlisten nicht so weit vorne auftaucht: „Den schlechten Ruf der Stadt kann man als Deckmantel für alle möglichen Sachen benutzen. Hier kann man machen, was man will.“

Beispielsweise vom Kulturreferat geförderte Rollschuhpartys für Erwachsene veranstalten. Was passiert eigentlich, wenn er keine Discoroller findet? „Egal. Dann kippen wir das alles. Dann machen wir eben etwas anderes.“ Hauptsache, es wird nicht langweilig.

■  Various Artists, „Super Motion Disco – Originals from the Future. Compiled by Dompteur Mooner“ (Compost)