DAUMENKINO

Wo ist im Remake der gerechte Zorn, der George A. Romeros Original ausmachte?

„The Crazies – Fürchte Deinen Nächsten“

Langsam fährt die Kamera in den Himmel; sie schaut dabei nach unten. Allmählich kommt so das abgestürzte Flugzeug in den Blick, das hier, in Ogden Marsh, im Sumpf versunken liegt. An Bord befand sich ein biologischer Kampfstoff, der nun das Grundwasser verseucht und jeden Infizierten zur rasenden Bestie werden lässt. „The Crazies – Fürchte Deinen Nächsten“ von Breck Eisner beginnt fast harmlos – ein stadtbekannter Alkoholiker wird noch vor einem Amoklauf zur Strecke gebracht –, doch binnen kürzester Zeit liegt die Kleinstadt in Trümmern: Quarantäne, Großeinsatz des Militärs, das bald auf alles schießt, was sich bewegt, und den Rest wahllos interniert. Eine Gruppe Überlebender schließlich wagt den Ausbruch.

Das erhaben apokalyptische Bild des abgestürzten Flugzeugs hatte George A. Romero, auf dessen gleichnamigen Film von 1973 dieses Hollywood-Remake zurückgeht, nicht nötig. Darin buchstabiert sich die Differenz beider Filme aus: Romeros Film ist ein bitterböser, plakativer Independentfilm vom Rande des Exploitationkinos, der sein Szenario in wenigen Sätzen erläutert, um dann ganz die ruppig inszenierten Dynamiken auszureizen: Die rasante Schnittfolge, die krass überladene Tonspur vermitteln die Apokalypse schon formästhetisch als Orientierungsverlust. Das Remake hingegen ist ein rechter Erklärbär und füllt dabei vor allem die Lücken, die Romero wohl schon auch aus finanziellen Gründen offen ließ, mit wuchtigen Bildern aus.

Nicht dass das Remake als Genrefilm schlecht geraten ist. Im Gegenteil, gerade die zweite Hälfte des Films kennt die spannenden Dynamiken von Flucht und Stillstand, von Stille und Übersteuerung. Make-up-Effekte und Kameraarbeit sind top-notch, handwerkliche Akkuratesse, wohin man blickt. Doch um welchen Preis? Romeros Film zitiert das ikonisch gewordene Bild des brennenden Mönches Thich Quang Duc. Wenn bei ihm Gasmasken tragende Soldaten in die Menge feuern, kann das 1973 nur als Echo auf das Kent-State-Massaker verstanden werden, bei dem Nationalgardisten vier Studenten erschossen. Dass Romero mit seinem bewusst offenen Titel nur die infizierten Tobsüchtigen gemeint hat, darf bezweifelt werden.

Eine äquivalente Aktualisierung solch gerechten Zorns sucht man im Remake vergebens: Der Regisseur Breck Eisner setzt an seine Stelle nerdigen Hollywood-Fetischismus. Am Ende ertönt dann noch Johnny Cash mit einem ironisch geträllerten „We'll meet again“, dessen Originalversion man aus Kubricks „Dr. Seltsam“ kennt. Alles Augenzwinkern, alles nur geklaut. THOMAS GROH

■ „The Crazies – Fürchte Deinen Nächsten“. Regie: Breck Eisner. Mit Timothy Olyphant, Radha Mitchell u. a. USA 2010, 101 Min.