Das Ende der Kunst

KONGRESS Wenn die Berliner Polizei einen E-Klasse-Mercedes versteigern will, dann laden Instituto Cervantes und Goethe-Institut zum Nachdenken über den Zusammenhang von „Kunst + Krise“

Eine Art Berliner Mauer teilte den Saal. Wer im linken Bereich saß, konnte die Vortragsredner nicht sehen

Ja, wir leben in einer Klassengesellschaft. Diese Erkenntnis ist nicht ganz neu, selbst wenn sie uns selten so schlicht vor Augen geführt wird, wie es am Donnerstagabend bei der feierlichen Eröffnungsveranstaltung der 4. Deutsch-Spanischen Kulturbegegnung in der Akademie der Künste am Pariser Platz geschah. Dort nämlich sah man sich beim Eintritt in den Konferenzsaal genötigt, eine Tür zu wählen. Links hieß es „Eintritt für Einkommen unter monatlich 1.000 Euro brutto“, rechts „Eintritt für Einkommen über monatlich 1.000 Euro brutto.“ Im Innern teilte eine Art Berliner Mauer den Saal. Wer im linken Bereich saß, konnte – wie es auf den billigen Plätzen, etwa in der Oper, der Fall ist – die Vortragsredner nicht sehen.

Wer es bis zu deren Auftritt noch nicht kapiert hatte, den klärte Margareta Hauschild, Direktorin des Goethe-Instituts in Madrid, darüber auf, dass er Teil eines Kunstwerks sei. Es stammte in diesem Fall von Santiago Sierra – wem sonst. Der Künstler bezog sich mit seiner sozialen Plastik auf das Thema der vom Instituto Cervantes und vom Goethe-Institut organisierten sechs Gesprächsrunden am Freitag und Samstag, das da „Kunst + Krise“ lautete – wie auch anders.

Die Krise hat eben Konjunktur und entfaltet dabei einige Produktivkraft, wie die Teilnehmerliste mit den Künstlern Santiago Sierra, Christian Jankowski, Rosa Loy und Tino Sehgal, den Journalisten und Kunstkritikern Isabelle Graw, Angela Molina, Rose-Marie Gropp und Hanno Rauterberg, den Sammlern Harald Falckenberg und Rafael Tous – um nur einige Namen zu nennen – zeigt. Leider wissen die Fluggesellschaften diese Produktivkraft nicht so recht zu schätzen, in Berlin behindern sie deren Entfaltung am Boden, in Frankreich im Tower. Deshalb musste Ibon Zubiaur, Leiter des Instituto Cervantes in München, die Rede von Félix de Azúa vortragen, des – wie Zubiaur meinte – „derzeit sexiesten Philosophen Spaniens“, der es nicht rechtzeitig nach Berlin geschafft hatte.

Auch seine Rede hatte einigen Sex-Appeal. Der Zusammenhang von Kunst und Krise, so Azúas Argument, sei der grundlegende Stiftungszusammenhang der modernen Kunst, die sich als negativ definiert und die von ihr zuvor geforderte Idealisierung ihres Sujets verweigert. Analog zum modernen Krieg, der immer ein Krieg zur Beendigung aller Kriege ist, so durfte man Azúa verstehen, ist moderne Kunst diejenige Kunst, die aller Kunst ein Ende setzt. Freilich leben wir nun in Zeiten postmoderner Kriege, und da hat die herrschende Militärdoktrin, die unser Bundespräsident gerade öffentlich machte, mit dem Ende aller Kriege nichts am Hut, im Gegenteil. Gleiches darf von der postmodernen Kunst vermutet werden. Daher tat Christian Jankowski im Anschluss an die Eröffnung mehr als recht daran, das Supersymbol des Zusammenhangs „Kunst, Kommerz und Krise“ ins Spiel zu bringen: Er rief zur Kunstauktion. Zusammen mit seinem Projektmanager Jan Dietrich hatte er bei Behörden und Institutionen nach entbehrlichen Objekten gefragt, die er nun – von ihm als Kunstwerk signiert – für einen, von den Gebern benannten, guten Zweck versteigerte.

Gleich um das erste Objekt, das Ruderboot Typ Rheine 4, entspann sich ein heftiges Bietergefecht, in dem Stephan Landwehr den Sieg davontrug: für 900 Euro an die AVK Sozialprojekte e. V.; 250 Euro brachte dem Berliner Kinderchor e. V. eine Holzskulptur aus Kongo-Brazzaville ein und 100 Euro brachten die BSR-T-Shirts dem Kinderkunstmuseum Berlin. Wie dem Katalog zu entnehmen, hatte Jankowski gehofft, die Stadtreinigung könnte ein Müllfahrzeug entbehren. Nun ja. Die Polizei immerhin wollte sich von einem Mercedes E-Klasse trennen, zugunsten der Sonnenuhr e. V./Theater RambaZamba. Doch mit 11.000 Euro Einstiegslimit konnte er nicht losgeschlagen werden. Offenbar war der linke Saalbereich stärker vertreten als der rechte.

BRIGITTE WERNEBURG

■ Instituto Cervantes, Rosenstraße 18/19, Mitte. Heute 9.30 und 11.30 Uhr Gespräche zur Kunstvermittlung und zur Situation der Kunst in Spanien und Deutschland