Zu viel des Guten

EHRGEIZ DER PROVINZ Dem Palais für aktuelle Kunst in Glückstadt wurde der städtische Zuschuss gestrichen – kurz bevor es eine Ausstellung zum zehnjährigen Jubiläum eröffnete

Der Kunstverein liegt so angeschossen am Boden wie das Pferd bei der Künstlerin Cordula Ditz – noch nicht ganz tot, aber fast

VON KLAUS IRLER

Am tiefschwarzen Himmel explodiert ein Feuerwerk und hinterlässt schmale, spitze Lichtstreifen. Unten auf der Erde stehen Rundbögen wie aus einem Arkadengang, gebaut aus Luftballons in Rot, Weiß und Grün. Es ist der Schauplatz einer Party, eine Party allerdings ohne Menschen. Anwesend ist nur ein Pferd, und das liegt wie erschossen am Boden. Das Pferd hebt den Kopf, ist also noch nicht ganz tot. Aber fast.

Entwickelt und auf Fotopapier festgehalten hat diese Szene die Hamburger Künstlerin Cordula Ditz. Zu sehen ist die Arbeit derzeit im Palais für aktuelle Kunst (PaK) im schleswig-holsteinischen Glückstadt: Dort macht der Kunstverein Glückstadt seit zehn Jahren seine Ausstellungen – und zeigt zurzeit eine Jubiläumsausstellung.

Zu sehen ist Ditz’ Arbeit auch auf den Plakaten und Flyern, mit denen der Kunstverein die Ausstellung bewirbt. Die künstlerische Leiterin des Kunstvereins, Christiane Opitz, hat Ditz’ Arbeit dafür ausgewählt, weil sie am besten die aktuelle Situation des Kunstvereins darstellt: Das Jubiläum ist Anlass zum Feiern. Gleichzeitig liegt der Kunstverein so angeschossen wie das Pferd am Boden – noch nicht ganz tot, aber fast.

In die Vorbereitungsphase der Jubiläumsausstellung fiel die Entscheidung der Stadt, ihren jährlichen Zuschuss in Höhe von 28.000 Euro ab 2011 zu streichen. Mit diesem Geld finanzierte der Verein bisher die Stelle der künstlerischen Leitung. Es war die einzige bezahlte Stelle des Kunstvereins: Alle anderen Beteiligten arbeiten ehrenamtlich.

Ab 2011 ohne eine fest angestellte Kraft weiterzumachen, komme für den Verein nicht in Frage, sagt die Vorsitzende Christiane Gehner. Man habe bereits „bis zum Anschlag“ mitgearbeitet, und „wenn kein Geld da ist, dann soll das die Gesellschaft merken“.

Das voraussichtliche Ende des Kunstvereins ist eine Geschichte, wie sie sich an vielen Orten im Nachgang von Finanzkrise und Konjunkturpaketen zuträgt: Eine klamme Kommune will sparen und kürzt bei der Kultur. Bei der gibt es zwar in der Regel nicht viel zu holen, das Wenige aber lässt sich als bisherige „freiwillige Ausgabe“ verfahrenstechnisch leicht streichen.

Bemerkenswert am Fall Glückstadt ist, dass die Glückstädter Politiker die Kürzung nicht alleine mit Spardruck begründen. Ihnen passt der hohe künstlerische Anspruch des PaK nicht. Die Stadtväter wollten lieber Kunst „für das breite Publikum“, um „möglichst viele Besucherinnen und Besucher in das Haus zu ziehen“, sagt der parteilose Bürgermeister Gerhard Blasberg. Die Geschichte des PaK ist auch die Geschichte vom Schicksal eines ambitionierten Hauses in der Provinz.

Tatsächlich hat sich das Palais für aktuelle Kunst bei seinen insgesamt 56 Ausstellungen in zehn Jahren weniger für Besucherzahlen als für künstlerische Qualität interessiert. Mit einem jeweils bei Sponsoren eingeworbenen Betrag von 5.000 bis 6.000 Euro pro Ausstellung zeigte der Kunstverein Künstler wie Tue Greenfort aus Dänemark, den britischen Fotografen Martin Parr, Timm Rautert aus Leipzig und den Slowaken Martin Kollar. Es gab eine Ausstellung mit zeitgenössischer japanischer Kunst, eine mit Kunst aus Russland und der Ukraine und eine mit deutsch-türkischen KünstlerInnen.

Geholfen haben dabei die Kontakte, die die Kunstvereinsvorsitzende und Mitbegründerin Christiane Gehner mitbringt: Die Ruheständlerin war einst Fotochefin beim Spiegel und arbeitete außerdem bei Geo, Stern und Merian. Das Publikum kommt nicht nur, aber doch zu großen Teilen aus Kiel und aus Hamburg: Für die Hamburger ist das 11.600-Seelen-Städtchen ein Ausflugsort, schön gelegen an der Elbe, mit fangfrischem Matjes und historischer Altstadt. Wie stark das PaK mit den Ausflüglern verbandelt ist, zeigt sich bei den Öffnungszeiten von Donnerstag bis Sonntag, 13 bis 17 Uhr.

Über die Popularität des PaK in interessierten Kreisen sagt das nichts aus. Zur Eröffnung der Jubiläumsausstellung kamen fast 300 Gäste, auch, um ihre Solidarität zu bekunden. Zu sehen bekamen sie in dem ehemaligen Adelspalais 154 Arbeiten von 146 KünstlerInnen. Konzeptkunst gibt es in dieser grundsätzlich sehr vielseitigen Ausstellung wenig, dafür liegt ein leichter Schwerpunkt auf der Fotografie. Vertreten sind auch Objekte, Videos, Malerei und Zeichnungen. Das Niveau ist durchweg hoch, aber sperrig sind die Arbeiten in der Regel nicht.

Der Kunstverein wird nun versuchen, über Mitglieder und Sponsoren so viel Geld einzuwerben, dass die Stelle der künstlerischen Leiterin vorerst für drei Jahre gesichert ist. Sollte das nicht gelingen, will sich der Verein auflösen. Dementsprechend werden alle Beträge auf einem Treuhandkonto gesammelt – um sie im Falle eines Scheiterns zurückzahlen zu können.

■ 10 Jahre Kunstverein Glückstadt. Bis 25. Juli, www.pak-glueckstadt.de