ZWISCHEN DEN RILLEN
: Zwei unglaublich seltsame deutsche Bands

Von Spar, „Foreigner“ (Italic/Kompakt/Rough Trade), Kommando Sonne-Nmilch, „Pfingsten“ (Major Label/Broken Silence)

Das Konzept des Kollektivs Von Spar scheint zu sein, Hörerwartungen von Album zu Album zu torpedieren

Unsere Postpopmoderne ist dadurch gekennzeichnet, dass Musiker sich jeden Stil aneignen, ihn mit anderen kombinieren und mit Hilfe digitaler Produktionsmethoden einen eigenen Sound entwickeln. Das Kölner Musikerkollektiv Von Spar ist ein typisches Beispiel für diese Alles-ist-Pop-Haltung, an der Puristen nur verzweifeln können.

Von Spar starteten als Retro-Postpunkband mit NdW-Anleihen, bald darauf jedoch deklarierten sie diese Phase mit ihrem viel beachteten Debütalbum „Die Uneingeschränkte Freiheit Der Privaten Initiative“ zum ironischen Muckerwitz, bis dann ein Krautrockalbum mit Techno- und Noiserockelementen herauskam, dass bei Publikum und Kritik postpuristisch auf einen allergischen Schnupfen stieß.

Sänger Thomas Mamoud verließ das Kollektiv, um seine eigene Mike-Patton-Metamorphose zwischen SM-Peitschengeschrei und Industrial-Noise für den geneigten The Wire-Magazin-Abonnenten einzuleiten. Ohne Mahmoud experimentierten Von Spar aber fleißig weiter, zum Beispiel mit Damo Suzuki, dem ehemaligen Sänger der Band Can und spielten bei Livekonzerten epische Musikjams zwischen John-Carpenter-Soundtracks, Warp-Techno, Public Image Ltd. und als Mutter von allem natürlich Krautrock.

Nun liegt mit „Foreigner“ ein neues Studioalbum vor, auf dem Von Spar ihre Vorliebe für episches Geblubber und minimales Geplocker erweitern – und zwar um beseelte Electropop-Songs im Sinne der 80er Jahre. Man fühlt sich an die Pet Shop Boys erinnert, New Order oder Laid Back, allerdings durchkreuzt von Progrock-Gitarren-Gegniedel und Dub-Echofahnen. Warum dieses Album ausgerechnet mit „Fremder“ betitelt wurde, bleibt das Geheimnis der Band. Denn so gelungen und popkulturell beflissen Von Spar auch klingen: Kein Element auf „Foreigner“ klingt fremd. Höchstens als Summe im Kontext der aufgezählten Bandhistorie, aber das scheint nun mal das Konzept dieses Kollektivs zu sein: Hörerwartungen von Album zu Album zu torpedieren.

Die Hamburger Punkrock-Ikone Jens Rachut hingegen hat ein Faible für regelmäßige Umbenennungen. So wurde im Zeitraum der letzten 20 Jahre aus seiner Band „Blumen am Arsch der Hölle“ die Formation „Dackelblut“, dann „Oma Hans“ und schließlich seine aktuelle Band „Kommando Sonne-Nmilch“.

Auch auf dem neuen SonneNmilch-Album „Pfingsten“ spielt Rachuts kongenialer, ewiger Partner Andreas Ness seine manisch-depressiven Gitarrenfiguren im Sinne Greg Sage von den Wipers, während der Sänger seine Poesie zwischen Irrsinn, Unsinn und Wahnsinn unermüdlich verdichtet: „Die da oben sind gefährlich / Vor allem in der Enge / Und die da unten drängen immer / Das Ei bedrängt die Henne“ heißt es etwa im Depro-Rocksong „Wenn was umfällt“.

Besonders gelungen – neben den üblichen Überlebenshymnen für Punkrocker – sind vor allem die balladeartigen Momente, die thematisch erstaunlich nahe an den Schreckensmeldungen zwischen Public Viewing, notgeilen Priestern und Griechenlandpleite liegen. Nahezu prophetisch stehen die Songtitel auf dem Album in Neugriechisch geschrieben und wurden in Klammern ins Deutsche übersetzt. Dass bei diesem Zeichensalat zwischen Verweigerungsstrategien und Umbenennungsirrsinn kaum jemand den Überblick behalten dürfte, sichert wiederum den Fortbestand der Popkritik. „Und unten auf der Erde / Wird eingepackt für immer / Der letzte macht das Licht aus / Und auch die ganzen Dimmer“, singt Rachut auf „Satellitenhirte“ angewidert vom technokratischen, profitgeilen Zeitgeist. Zwei tolle Platten, um immer wieder von vorn anzufangen: Urknall inklusive. MAURICE SUMMEN