Milliardäre sind eine Herausforderung

IM WELTALL Der Schweizer Dokumentarist Christian Frei erforscht in seinem Film „Space Tourists“, was von der sowjetischen Raumfahrt geblieben ist

Acht Tage gehen schnell vorbei; gern wäre die Weltraumtouristin länger im All geblieben

„Space Tourists“ ist wie schon Christian Freis zwei vorhergehende Dokumentarfilme „War Photographer“ und „The Giant Buddhas“ für den internationalen Markt gemacht. Ein typischer Festivaleröffnungsfilm mit einem großen Thema, der russischen Weltraumfahrt im Allgemeinen, der touristischen Erschließung des Weltraums im Besonderen, das aus unterschiedlichen Perspektiven abgehandelt wird. Wie in teuren Dokumentarfilmen üblich, gibt es nie zuvor gesehene Bilder – vom Alltagsleben der Internationalen Weltraumstation, von kasachischen Raketenschrottsammlern. Der Film ist, wie immer mehr Dokumentarfilme deutschsprachiger Regisseure, auf Englisch gedreht, und irgendwie liest es sich komisch, wenn im ansonsten deutschsprachigen Presseheft unter dem Filmtitel „a film by Christian Frei“ steht.

Ein Teil des Films handelt von Milliardären – in erster Linie der aus dem Iran stammenden US-Amerikanerin Anousheh Ansari –, die sich ihren Traum, einmal ins Weltall zu fliegen, 20 Millionen Dollar kosten lassen. Da die Nasa keinen Weltraumtourismus anbietet, reisen die Milliardäre aus dem Westen nach Kasachstan, absolvieren im berühmten Sternenstädtchen eine kleine Ausbildung und fliegen vom Kosmodrom Baikonur in Sojus-Raketen zur Internationalen Raumstation. Im Off erzählt Anousheh Ansari, die erste weibliche Weltraumtouristin, davon, wie sie sich als Kind nichts sehnlicher wünschte, als ins All zu fliegen. Später sieht man sie glücklich durch die Weltraumstation schweben. Acht Tage gingen schnell vorbei; gern wäre sie noch länger geblieben.

In einem anderen Teil geht es um Arbeiter, die in Lkws durch die Gegend fahren, den Himmel beobachten, um die vom Himmel fallenden Antriebsstufen einzusammeln. Der letzte Teil führt nach Rumänien, wo der Weltraumenthusiast Dimitru Popescu, ein studierter Theologe und Raumfahrttechniker, an Möglichkeiten forscht, billiger ins Weltall zu fliegen. Sein von einem siebzig Meter hohem Montgolfier-Ballon getragenes Raumschiff schaffte es bis in die Stratosphäre.

„Ich bin gewohnt, mit allen möglichen Menschen zusammenzuarbeiten, mit Höhlenbewohnern, Kriegsfotografen oder kubanischen Revolutionären. Ich versuche jedem Menschen mit genau gleichem Respekt und Neugier zu begegnen. Aber Milliardäre waren neu für mich – und durchaus eine Herausforderung“, sagt Christian Frei, der auch Lehrbeauftragter für Reflexionskompetenz an der Universität St. Gallen ist.

Die Erzählperspektive des Films ist zunächst etwas irritierend. Große Teile werden aus der Sicht des 33-jährigen norwegischen Magnum-Fotografen Jonas Bendiksen erzählt, der auch dadurch berühmt wurde, dass er sieben Jahre lang das Leben an den Rändern der ehemaligen Sowjetunion dokumentierte. Man sieht den Fotografen in postsowjetischen Landschaften vom Ruhm und Niedergang der sowjetischen Raumfahrt, dem Stolz jeden Sowjetbürgers, erzählen. Dazu gibt es stimmungsvolle Bilder von raumfahrtthematischen Kinderspielplätzen und weltraumorientierte Lyrik. Eine Weile hat man den Eindruck, es sei Bendiksens Film, und ärgert sich ein bisschen, dass Frei ihn anstelle seiner selbst sprechen lässt.

DETLEF KUHLBRODT

■ „Space Tourists“. Regie: Christian Frei. Dokumentarfilm, Schweiz 2009, 98 Min.