Aufgerockt mit E-Gitarren

KONZERT Seit seinem Rückzug aus der Politik tourt Gilberto Gil durch die Welt, um seine neuen Alben bekannt zu machen. Am Donnerstag war er im Huxley’s

They never come back. Wenn sich Künstler erst mal mit den Niederungen der Politik eingelassen haben, gibt es kein Zurück ins kreative Dasein. Wer für ein politisches Amt, die Ständevertretung oder die Management-Ebene in einem Kreativunternehmen oder einer NGO den rechten Weg verlassen hat, findet ihn nicht wieder. Gilberto Gil ist die Ausnahme, die diese Regel aufs Eindrücklichste bestätigt.

Denn schließlich hat der Mann nicht nur mal ein paar Sonntagsreden als Künstlerfunktionär gehalten – er war Minister! Und in dieser Funktion – was er auch gern persönlich bestätigt – tief in den Niederungen des Politikbusiness. Wie wunderbar, dass man sich so offensichtlich folgenlos aus diesem Betrieb zurückziehen kann! Gil hat nach seinem Rückzug aus der Politik gleich zwei, sehr unterschiedliche Alben veröffentlicht und ist seitdem auf Reisen, um sie der Welt bekannt zu machen. Im Huxley’s ging es am Donnerstagabend um „Fé na festa“, jenes Album, auf dem er sich dem Forró widmet, der ländlichen Tanzmusik Nordbrasiliens. Das hat er schon früher gemacht, besonders ausführlich 2001 auf dem Soundtrack-Album „Eu, tu, eles“. Doch während er damals die alten Originale von Luiz Gonzaga, Zé Dantas oder Humberto Teixeira weitgehend originalgetreu interpretierte, ging er für „Fé na festa“ das Genre mit einer ungewöhnlichen Instrumentierung an, bei der sich zu dem handelsüblichen Akkordeon und den Percussions zwei E-Gitarren und eine Violine gesellten.

Handverlesene Band

Im gut gefüllten Huxley’s erlebte man, dass Forró, auf diese Art aufgerockt, auch bei jenen Hörern einen Fuß in die Tür bekommt, die sich von einer Musik, in der Akkordeon, Triangel und die Zabumba-Trommel den Sound bestimmen, zunächst vielleicht abschrecken lassen. Und Gil gelang nicht nur die schlüssige Weiterentwicklung des Forró-Sounds, er lief auch nicht in die üblichen Modernisierungsfallen wie Schweinerockgitarren, Keyboard-Werksounds und HipHop-Beats von Vorgestern. Stattdessen führte er vor, dass sich auch seine alten Hits wie etwa „Expreso 2222“ in diesem Sound gut machen – genauso gut wie seine ambitionierten neuen Eigenkompositionen oder alte Gonzaga-Evergreens wie „Olha Pro Céu“ oder „Respeita Januário“.

Natürlich hat eine schlachterprobte Rampensau wie Gil sein Publikum von der ersten Sekunde an auf den Beinen. Wie dieser unerhört fit wirkende Mann von 68 Jahren es allerdings schafft, die Energie über die ganzen zwei Stunden nicht absinken zu lassen, mit großem Gespür die Dramaturgie des Konzertverlaufs zu steuern und darüber hinaus noch gelassen und in sich ruhend zu wirken wie ein alter Zen-Meister, ist schon einzigartig.

Zur Magie des Abends trug allerdings auch seine handverlesene Band bei, aus der der großartige Akkordeonmeister Toninho Ferragutti herausragte. Und die Tatsache, dass Gil diesmal dankenswerterweise komplett – auch in der Zugabe – darauf verzichtete, alte Reggae-Kamellen zu spielen. DETLEF DIEDERICHSEN