MUSEUM, KINO, WHISKEY SOUR: ALLES GERÄT IN SCHIEFLAGE
: Ein Samstag in der Psycho-Unterwelt

VON RENÉ HAMANN

Wir waren im Museum. Aus dem Gebäude kamen hellblaue Schwaden, sie zogen direkt über die Köpfe der Frida-Kahlo-Schlange hinweg. Wir brauchten nur zwei Minuten, um reinzukommen, allerdings wollten wir ja auch diesen Isländer sehen, Olafur Eliasson. „Innen Stadt Außen“. Unser Thema.

Beim Einlass gab es Verwirrung, weil mein Presseausweis aus dem letzten Jahr stammte. Aber das machte nichts, ich zahlte gern. Dafür gab es auch genug Gutes zu sehen. Ein Raum mit kleinen Modellen, der uns schwarz-weiß machte, durch Gelblicht. Es gab Spiegelkabinette, die mir, sowieso angespannt und emotional wacklig, den Boden unter den Gläsern entzogen. Einen Raum mit Strobolicht und Warnhinweisen für Epileptiker oder solche, die mal welche werden könnten. Auch nichts für meinen eher psychotisch gestimmten Geist.

Das Beste kam zum Schluss: eine Waschküche, „Your Blind Movement“, ein unter Nebel und knalliges Licht gesetztes Nirwana mit 50 cm Sichtweite. Eintritt verboten für Kinder unter 6 Jahren und Menschen mit Klaustrophobie. Oder jene, die einmal solche werden könnten.

Draußen gab es keine Zweifel, der Rauch kam aus der Waschküche, daneben gab es Sonnenlicht. Wir machten einen beruhigenden, belebenden Spaziergang zwischen Potsdamer Platz, dem Tourismusbannkreis, und dem, tja, Ring, der sich durch Kreuzberg zieht und hinten irgendwo zur Skalitzer Straße wird. Am Ende ein Café namens Schneewittchen. Nein, „Schnittchen“.

Abends saßen wir im Kino. Innen statt außen. In anderer Besetzung. Ein Zettel hatte uns geschickt. Es gab „Inception“ von Christopher Nolan. Räume falten sich auf, Paris steht kopf, ein Zug rattert schienenlos durch eine städtische Szenerie. Ein Ia Actionfilm, ein Blockbuster, der genau das sein will: ein Blockbuster. Und ein durchkonstruierter Traumfilm – wenn Architekten träumen, muss es so aussehen. Nolan konstruiert Traumebenen, durch die Leo DiCaprio mit Mannschaft rennt, wo er sich mit den Projektionen seines Traumas herumschlägt und einen Auftrag auszufüllen gedenkt.

Zwischendurch dachte ich: Wir können einpacken, endgültig, Hollywood ist unerreichbar. Aber Gott sei Dank ist Hollywood doch zu plump. Das Thema Traumwelt wurde verschenkt – trotz der großartigen visuellen Effekte war „Inception“ ein Film, über den Psychologen, David-Lynch-Kenner und Surrealismusexperten nur abwinkend lachen können.

Action statt Analyse

Logisch aufgebaute Träume? Das Unbewusste als Architekturlandschaft? Nein, eben nicht.

Von der Moral, den billigen Tricks und der das Hirn waschenden Grundproblematik (DiCaprio will einfach nur nach Hause, zu den Kindern) reden wir lieber gar nicht erst. Was hätte das für ein furchterregender, alles in Schieflage bringender Film sein können! Aber nein, lieber zwei Stunden voll mit Action, damit auch ja kein analysierender Gedanke aufkommen kann.

Danach gab es Whisky Sour im Würgeengel. Hoher Chickfactor. Ein Gespenst rauschte herein, an der Hand einen hinterherlaufenden Trottel, und rauschte wieder hinaus. „Oh, Verzeihung!“ – „Ja, ich auch.“ Gastronomen unterhielten sich über das schöne Leben, das sie führen. Teures Essen, viel Trinkgeld. Konflikte lösen, Kontakte anbahnen durch Einladungen.

Der Whisky Sour haute mich am Ende fast vom Stuhl. Alles schimmerte grünlich. Ich war auf zu vielen Ebenen unterwegs. Auf meinem Heimweg sang ich „My girl, my girl, tell me where did you sleep last night? In the pines, in the pines“ vor mich hin.

Im Bett dann musste ich diverse Hubschrauber erst zur Landung zwingen, bis ich mich endlich einer vollkommen schwarzen und schnell zu vergessenden Traumwelt hingeben konnte.