AUGENRINGE
: Müder Metzger

Wir wollen acht Koteletts kaufen

„Das hätte alles verhindert werden können“, sagt mein Frauenarzt und meint damit jegliche von Menschen verursachte Katastrophe. „Wenn die verantwortlichen Menschen nur ausgeschlafen gewesen wären“, sagt er und schaut mitleidig auf die dunklen Ringe unter meinen Augen. Meine Tochter ist elf Monate alt, und die Versicherung einer Freundin, dass Kinder spätestens mit zehn Monaten durchschlafen, ist eine Lüge.

Nach dem Arzttermin schlendere ich mit meinem Freund, seiner Mutter und unserer Tochter über den Markt am Hermannplatz. Vor dem Metzgerstand machen wir halt. Der Besitzer trägt einen Schnurrbart und ist oft erkältet. Wahrscheinlich ist er deshalb so schlecht gelaunt. Heute sieht er sehr müde aus.

Wir wollen acht Koteletts kaufen. „Für den Nachwuchs“, sagt die Schwiegermutter und deutet fälschlicherweise auf mich. Ich bin ja nicht ihr Nachwuchs, und unsere Tochter sitzt auf dem Arm ihres Sohnes. Der Metzger versteht sie natürlich falsch, mustert mich, und ein grantiges „Schon wieder?“ rutscht ihm heraus. Er zeigt auf meine noch nicht wieder ganz schlanke Mitte und sagt jetzt lächelnd: „Das sieht man natürlich schon.“ Dann lacht er: „Bei Rossen“ sagt er, „ ist das auch so, dass sie nach drei Wochen schon wieder empfängnisbereit sind. Aber die tragen im Gegensatz zu Menschen elf Monate aus.“ „Aha“, sage ich und wiehere verlegen. „Ich züchte nämlich auch Pferde“, erklärt er stolz. „Um sie zu verarbeiten?“, frage ich gehässig. Der Metzger schaut mich böse an.

Als er sein Beil hebt, um die Koteletts zu durchtrennen, fällt mir mein Frauenarzt ein und seine Warnung vor den Fehlern der Müden. Ich rufe schnell: „Bitte doch kein Koteletts. Wir nehmen das Filet!“ Danach komme ich mir sehr großmütig vor. Ich habe dem Metzger die Hand gerettet, obwohl er gesagt hat, ich sehe aus wie ein trächtiges Pferd.

MAREIKE BARMEYER