GEFANGEN IN DER U-BAHN
: Brünhildes Dutt

Brigitte, Uwe und ich, genannt „der Idiot“

Sie dampfte, bollerte und schnaubte. Er knurrte, brüllte und drohte mit der Faust. „Flieh“, schrie es in mir, „weg von diesem verfluchten Ort.“ Doch allein es half nichts, denn so sehr ich es wünschte – ich konnte nicht fort. Verfangen hatte ich mich, in den Haaren eines barocken Tempels der Weiblichkeit. Ihr Freund und Wächter wollte diesen Frevel nicht ungesühnt lassen. „Nerdkiller“ stand auf seinem ärmellosen Wams in glitzerbesticktem Schwarz. Ich fragte mich innerlich erschauernd, warum ich eine Hornbrille trug.

Obwohl ich wahrlich nicht klein bin, erzeugte der Gardist der Dame in mir ein Gefühl, als wäre David nachts in der Wüste auf Goliath getroffen. Ohne seine Schleuder. Und ohne seinen Kumpel Gott. Dabei hatte ich nur Musik gehört, so wie jeden Morgen in der U-Bahn. Müde hatte ich an der Wand gelehnt. Mein iPhone war gerade von Max Pashm zu The Knife gewechselt. Da nahte die Kochstraße und somit mein Ausstieg ins Arbeitsleben. Ich drängte zur Tür. Doch bevor ich sie erreichen konnte, riss es mich unsanft an den Ohren und schleuderte mich zurück. Die Kabel meiner Kopfhörer waren Schuld. Sie hatten sich in den Haarspangen einer gewaltigen Brünhilde verfangen. Ich kam nicht mehr raus.

Aus den folgenden Wortwechseln ergab sich, dass Brünhilde Brigitte hieß, der Mann neben ihr Uwe und ich „der Idiot“. Vier U-Bahnstationen wurde ich mitgeschleift, unter dem Bulldoggenblick des Bewachers, in der Duttkonstruktion seines Weibes werkelnd, bis mir endlich die Befreiung gelang.

Ich komme des Öfteren zu spät zur Arbeit, denn ich stehe nur sehr ungern vor neun Uhr auf. Neue Ausreden für diese Schwäche sind mir stets willkommen. An diesem Morgen sagte ich, ich hätte verschlafen. „Ich hab mich beim Musikhören in einer Frau verfangen, die …“ Es hätte mir doch niemand geglaubt. DANIEL SCHULZ