Choral auf ein Verlags- verzeichnis

40 JAHRE STROEMFELD Eine Frankfurter Ausstellung ehrt den Verleger Karl Dietrich Wolff

Der Stroemfeld Verlag, der bis 1993 programmatisch Verlag Roter Stern hieß, wird 40 Jahre alt. Aus diesem Grund zeigt die Nationalbibliothek in Frankfurt eine kleine Ausstellung über die Verlagsgeschichte und die Biografien der Büchermacher. Der Name Stroemfeld geht auf eine rätselhafte Notiz des späten Hölderlin zurück: „Tende Strömfeld Simonetta“.

Als Blickfang dienen der Ausstellung zwei Objekte, die nur scheinbar einen Gegensatz bilden: der Tisch, an dem Friedrich Hölderlin im Tübinger Turm von 1806 bis 1843 schrieb, und die Kugelkopf-Composer- Schreibmaschine von IBM. Denn nur mit diesem damals modernsten elektronischen Schreibgerät mit ganzen 8.000 Zeichen Speicherkapazität war 1974 dem komplexen Korpus der Hölderlin-Handschriften editorisch beizukommen. Dieser Speicher reichte gerade aus, um eine Druckseite des ehrgeizigsten Editionsprojekts zu sichern, der mit 23 Bänden mittlerweile abgeschlossenen „Frankfurter Hölderlin-Ausgabe“ (FHA). Diese Ausgabe setzte neue Maßstäbe in der Editionsphilologie. Die FHA gibt die faksimilierten Handschriften und die Entstehung des Textes ebenso minutiös wieder wie die Entscheidungen des Herausgebers für seine Lesarten. Nach der gleichen, Transparenz garantierenden Methode brachte der Verlag in den letzten Jahren Editionen der Werke von Kafka, Kleist (dank der Hartnäckigkeit des Editionsspezialisten Roland Reuß), Trakl und Robert Walser heraus, aber auch die von „vergessenen“ Autoren wie Casimir Ulrich Boehlendorff (1776–1825) und Gustav Regler (1898–1963).

Klassiker und Klassenkampf

Der Geschäftsführer und Verleger KD Wolff, der in der Frankfurter Studentenbewegung von 1968 eine führende Rolle spielte, die ihm 38 Strafverfahren eintrug, und Bundesvorsitzender des SDS war, verstand sich immer als linker Verleger, dem Politik und Literatur gleichermaßen wichtig waren. Zwischen 1967 und 1981 wurde Wolffs Telefon vom BKA und vom Verfassungsschutz abgehört. Er verlegte Bücher von schwarzen und über schwarze Bürgerrechtskämpfer in den USA, eine Schriftenreihe über „Erziehung und Klassenkampf“ sowie die mittlerweile zu Klassikern gewordenen Bücher „Märzrevolution“ von Erhard Lucas und „Männerphantasien“ von Klaus Theweleit. Der Verlag druckte immer auch am Rande des Betriebs Liegendes, so „Kitty“ von Brigitte Hunter – die Lebenserinnerungen und „wahren Geschichten“ einer Hausfrau – oder die erste deutsche Übersetzung des „Code Napoléon“.

Wenn man die rund 500 ausgestellten, schönen Bände betrachtet, subtil von Michel Leiner gestaltet, kann man dem Schweizer Germanisten Martin Zingg nur beipflichten: „Man müsste das Gesamtverzeichnis vorsingen“, am besten als mehrstimmiger Choral. RUDOLF WALTHER

■ „40 Jahre Stroemfeld“ – Nationalbibliothek Frankfurt, bis 4. Sept.