Urheberrechte im Netz: "Musik verschenken"

Dave Haynes betreibt die Webseite soundcloud.com. Zum Auftakt der Berliner Konferenz "all2gethernow" erklärt er, warum es durchaus Sinn macht, Musik zu verschenken.

All together now: Fans auf einem Konzert, später bloggen sie darüber im Netz. Bild: royalmg / photocase

taz: Herr Haynes, was ist die Funktion Ihrer Internetseite Soundcloud.com?

Dave Haynes: Soundcloud fungiert als öffentlich zugängliches Studio. Wir sorgen dafür, dass Künstler mithilfe von Soundcloud eigene Musikstücke hochladen oder von A nach B verschieben können. Früher war das sehr umständlich: Man musste riesige Dateien auf einem FTP-Server deponieren oder via Yousendit verschicken. Bei uns kann man Musik ohne Einschränkung hochladen. Meistens ist die Musik unserer User unveröffentlicht und zum Teil nichtkommerziell. Soundcloud ist ein guter Ort, um Menschen im Internet neue Musik vorzusetzen. Entdeckt werden Künstler aber woanders, Soundcloud ist keine Kaderschmiede.

Verglichen mit Myspace ist Ihre Seite minimalistisch. Man sieht die Musik nur als Klangpegel, warum gibt es keine Bilder und sonstigen Informationen?

Dave Haynes ist Vizepräsident im Bereich Geschäftsentwicklung bei der Internetseite Soundcloud.com. Früher hat er in einem Londoner Plattenladen gearbeitet, der auch als kleine Plattenfirma fungierte. Nebenbei ist er einer der Mitorganisatoren des internationalen "Music Hack Day".

Bei der Konferenz "all2gethernow" hält er am morgigen Dienstag,

7. September, den Vortrag: "Welche Webtools braucht es, damit Künstler ihre Musik im Netz vertreiben können".

Wer eingebettete Diashows, Porträtfotos oder Tourneedaten sucht, ist bei uns an der falschen Adresse. Es geht uns nur um die Veröffentlichung von Musikdateien. Wir bauen kein Zuhause für Bands und Künstler, wir sind auch nicht dafür zuständig, sie via Internet anzupreisen.

Auf der Großbaustelle Web 2.0 ist die Situation der Urheberrechte nach wie vor nicht geklärt, wie gehen Sie damit um?

Zum Teil werden bei uns auch nichtmusikalische Dinge hochgeladen, etwa Interviews und andere Arten von Audiodateien. Fallen diese unters Urheberrecht? Jedenfalls ist das, was sich auf soundcloud.com befindet, individuell verschieden. Jeder hostet und streamt in Eigenverantwortung. Letztendlich ist Soundcloud nur ein Lagerhaus für Klangdateien, die User entscheiden selbst, was für Musik sie auf ihren Profilen hochladen.

Das mag für unbekannte Künstler und Privatpersonen zutreffen, aber Soundcloud ist inzwischen auch bei Stars wie Sonic Youth beliebt, die englische Künstlerin Little Boots veranstaltete etwa kürzlich einen Remix-Wettbewerb auf Ihrem Soundcloud-Profil, das sprach sich schnell herum.

Letztendlich liegt es in den Händen unserer User, ob und wie sie etwas veröffentlichen wollen. Ich nehme an, bei größeren Namen werden sich die Urheberrechtsgesellschaften direkt an die Plattenfirmen der Betreffenden wenden. Was die Inhalte anbelangt, halten wir uns aber strikt raus. Sehen Sie, die beiden Soundcloud-Gründer Eric Wahlforss und Alexander Ljung kommen ja selbst aus der Musikszene. Eric veröffentlichte elektronische Popmusik und Alexander arbeitete als Toningenieur. Inzwischen benutzen übrigens viele Leute aus der Musikindustrie Soundcloud als Workspace. Wir sehen uns nicht als Musik-Konsum-Destination, wir leisten bedienerfreundliche Basisarbeit für Leute, die eigene Musik im Netz posten.

Die Musikindustrie alter Tage hatte Plattenfirmen und Vertriebe, die die Distribution von Musik auf Tonträgern übernahmen. Hat Soundcloud nun diese Spieler abgelöst?

Nein, ganz und gar nicht. Auch Plattenfirmen nutzen unsere technischen Angebote, aber es gibt im Netz definitiv andere Anbieter, die den Service von Plattenfirmen und Vertrieben ersetzen könnten. Wir widmen uns der Frage, wie wir es den Usern erleichtern, bei uns Audiodateien hochzuladen, unsere Aufgabe ist es aber nicht, die Musikindustrie umzustrukturieren.

Musik im Netz lässt die Klangtiefe von Schallplatten vermissen. Stört Sie die schlechte Tonqualität überhaupt nicht?

Nein. Man kann bei uns Musik in den Formaten MP3 oder WAV hochladen, wir unterstützen aber auch alle anderen Audioformate. Diese transferieren wir dann auf eine Streaming-Rate von 128 Kilobit pro Sekunde. Das entspricht "Preview"-Klangqualität und eignet sich für entspanntes Anhören. Gut, im Netz ist schlechte Tonqualität Usus, das lässt sich nicht bestreiten.

Wir haben über Usability und Zugänglichkeit geredet, wie steht es mit der sozialen Funktion von Soundcloud?

Wir sind eine Pinnwand. Bei uns suchen und finden sich Musiker, vielleicht landen sie auch bei Plattenfirmen. Und es könnte sein, dass Musik, die bei uns hochgeladen wird, direkt in Bars und Clubs gespielt wird und neben den Usern noch viel mehr Menschen erreicht.

Soundcloud finanziert sich als "Freemium"-Modell. Einstiegs-User kriegen ein kleines Konto mit begrenzter Datenmenge, wer mehr postet, muss zahlen. Zahlt sich das für Sie aus?

Das Freemium-Modell hat sich als tragfähig erwiesen, es ist eine simple Geschäftsidee. Man beginnt auf Soundcloud immer umsonst, und diejenigen, die den größten Nutzen daraus ziehen, zahlen für Sonderleistungen. Die Einstiegsgebühr liegt bei 29 Euro pro Jahr. Am oberen Ende liegen Spezialkonten für 500 Euro, die meist von Plattenfirmen gebucht werden.

Wie sollen Künstler in Zukunft mit ihrer Musik denn noch Geld verdienen?

Zunächst einmal gibt es sehr viele unterschiedliche Künstlertypen. Weltstars und die breite Masse. Lokale Künstler, überregional bekannte Künstler. Aber ich bin davon überzeugt, dass auch sie in Zukunft mit Musik Geld verdienen werden, und zwar auch durch Plattenverkäufe! Natürlich nicht im Netz. Das Netz ist eher dazu da, Fanströme zu kanalisieren und überhaupt eine Fanbasis aufzubauen. Die Menschen strömen nach wie vor in Clubs und Hallen, das muss man ausnutzen. Allgemein wäre es wünschenswert, endlich die Vorteile des Internets zu betrachten und nicht immer nur die Nachteile, es geht doch darum, wie wir miteinander kommunizieren und partizipieren. Davon profitieren auch Künstler.

Findet Musik eine Wertschätzung, wenn sie im Netz frei verfügbar ist?

Wenn man Musik verschenkt, muss das ihren Wert nicht automatisch schmälern. Man kann damit neue Fans gewinnen, die ihre Meinungen über den betreffenden Künstler überdenken. Und letztendlich ist das ja nicht umsonst, denn es geht im Internet immer um die Generierung von Datensätzen. Man kann einen Track auf einer Internetseite frei posten und bekommt äußerst interessante Einblicke, wo und wer die Fanbasis ist und wer alles über die Musik bloggt. Alle diese Informationen helfen dann nämlich doch beim Verkauf des Produkts. Hinter dem Geschenk liegt immer ein Wert.

Soundcloud hat inzwischen mehr als eine Million User, man kann also getrost von einer Erfolgsgeschichte reden. Hat das Wort "Start-up" für Sie einen negativen Beigeschmack?

Keineswegs, denn wir haben immer unseren Maßstab vor Augen. Wir sind eine kleine Firma, 30 Leute arbeiten für Soundcloud und fast alle sind mit der Weiterentwicklung der Seite betraut. Die Entwicklungen gehen so rasend schnell, dass wir mit neuen Updates manchmal gar nicht hinterherkommen. Wenn wir uns auf unsere Kernkompetenz konzentrieren, das Hochladen von Musikdateien, dann kann uns nichts passieren.

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