Die Sprache ist Englisch, der Umgangston freundlich

MUSIK Im Radialsystem findet heute erstmals das Festival „Nordlichter“ statt, das Musik aus den nordischen Ländern vorstellt

Ob das Licht über der Spree sich nordisch genug geben wird, ist noch die Frage, wenn heute Abend beim „Nordlichter“-Festival Ensembles aus den nordischen Ländern im Radialsystem auftreten. Eine Menge Neue Musik wird man dabei erleben können. Ein bisschen folkloristisch Inspiriertes und viel Lust an der musikalischen Performance.

Für manche der auftretenden KünstlerInnen wird es ein Heimspiel sein. In Skandinavien und den Nachbarländern kennt man eine lange Tradition des Kulturaustausches mit Deutschland. Viele nordische MusikerInnen studieren hier, bringen ihren eigenen Hintergrund mit und Einflüsse aus Deutschland wieder mit nach Hause. Das war zu Zeiten von Grieg oder Sibelius so, und daran hat sich im Laufe der letzten hundertfünfzig Jahre auch nichts geändert. Nur bleiben heute vermutlich mehr Leute dauerhaft in Berlin hängen.

Besucher des Radialsystems hatten schon öfter Gelegenheit, sich über die überdurchschnittliche Häufigkeit isländischer Namen bei den Mitgliedern des Solistenensembles Kaleidoskop zu wundern. Kaleidoskop, das am Radialsystem den Ehrenrang des Hausensembles bekleidet, ist aufgrund seiner interkulturellen Zusammensetzung prädestiniert, an „Nordlichter“ teilzunehmen. Sein eigens für das Festival entwickeltes Programm trägt den Titel „Eye can hear ear will see“. Es ist den norwegischen Komponisten Edvard Grieg, Ruben Sverre Gjertsen und Evan Gardner gewidmet.

Frauen in Fechtmontur

Ein weiteres deutsch-isländisches Joint Venture ist das Ensemble Adapter, das im Wechsel mit der schwedischen Formation Pearls before swine experience das zweite Konzert des „Nordlichter“-Abends bestreitet. Das Kairos Quartett wird ein Streichquartett des Finnen Sampo Haapamäki vorstellen. Dieser Auftritt wird umrahmt von zwei dänischen Ensembles, die den Spaßfaktor in der Musik sehr ernst nehmen. Das Alpha Trio mit einer Besetzung aus Flöte, Schlagzeug und Saxophon verbindet Neue Musik mit folkloristischen und improvisatorischen Elementen. Und spätestens der Auftritt des Percussion-Trios Pace dürfte auch den abgeschlafftesten Konzertbesucher wieder auf die Beine bringen. Die drei Extremschlagzeuger sind für Überraschungen gut; man fährt wahrscheinlich nicht schlecht damit, für alle Fälle Ohrenstöpsel einzustecken. Über die Extremoptik des E-Streichquartetts Messerkvartetten, dessen ausschließlich weibliche Mitglieder in Fechtmontur mit Gesichtsmasken auftreten, wird man sich danach vermutlich auch nicht mehr wundern.

Wenn diese erste Ausgabe von „Nordlichter“ sich sehr auf Neue Musik konzentriert, so habe sich das eher zufällig so entwickelt, betont Marcus Hagemann, der künstlerische Leiter des Events. Durch seinen Kontakt mit den Organisatoren der „Nordic Music Days“, die kürzlich in Kopenhagen stattfanden, habe er viele Ensembles nach Berlin holen können. Die „Nordic Music Days“ sind eine typisch nordische Einrichtung der institutionalisierten Künstlerförderung. Das Komponistenfestival wird jedes Jahr von und in einem anderen nordischen Land ausgerichtet. Viele jüngere KomponistInnen finden dort erstmals eine Plattform für ihre Werke. Die gemeinsame Sprache ist Englisch, der Umgangston freundschaftlich, auf den Länderproporz wird strikt geachtet.

Die Liste der Unterstützer der „Nordlichter“-Idee, nordischen TonkünstlerInnen auch international ein Forum zu bieten, ist so imposant, dass Marcus Hagemann jetzt schon wie selbstverständlich von seinem Festival als Biennale spricht. Der heutige Abend sei eher als Kick-off-Veranstaltung anzusehen. „Ich kann mir gut vorstellen, dass wir in zwei Jahren mehrere Tage Programm auf die Beine stellen.“ Keineswegs soll das musikalische Spektrum dabei auf zeitgenössische Musik beschränkt bleiben. Auch soll das Radialsystem in Zukunft nicht der einzige Veranstaltungsort bleiben. KATHARINA GRANZIN

■ Radialsystem, heute 19.30 Uhr