Uwe Bolls "Max Schmeling": Trash wäre schöner

Uwe Boll hat das Leben des Boxweltmeisters Max Schmeling als nationales Feel-good-Movie verfilmt. In der Hauptrolle: Henry Maske.

Max Schmeling (Henry Maske) kämpft gegen Joe Louis (Yoan Pablo Hernández). Bild: dapd

Ach, uns Uwe! Eigentlich müssten gestandene Cineasten und Cineastinnen einen Filmemacher wie Dr. Uwe Boll heiß und innig lieben. Exploitation, Trash, Low Budget! Das, was am unteren Rand der Filmkultur passiert, ist in aller Regel viel interessanter als die breite Mitte. Ist nicht unfreiwilliger Humor immer noch besser als "gepflegte Unterhaltung"? Können nicht Trash-Filme so viel mehr ästhetischen Eigensinn entwickeln als Bestseller-Verfilmungen, Serientaten und Mainstream-Klamotten?

Doch Uwe Boll ist ein Trash-Filmer, der vor lauter cineastischer Pflichterfüllung keine Energie mehr für die Kür hat. Wenn es Gewalt sein soll, liefert er Gewalt, wenn er einen alten Star aufgetrieben hat, behandelt er ihn mit Respekt, und seine Videospiel-Verfilmungen bleiben immer im Kanon der Fans. Boll gehört keineswegs in die Riege der "schlechtesten Filmemacher der Welt", seine Filme stehen in einer ganz anderen Gefahr, sie tendieren zur Langeweile.

Ein gewichtiger Grund dafür ist, dass er wenig Gespür für Timing hat. Gute Trash-Filme sind entweder so schnell, dass man ihre Defizite gar nicht bemerkt, oder so langsam, dass man sich in ihnen umsehen kann und ein surrealistisches Panoptikum visueller Manien genießt. Und auch das Zweite, was Uwe Boll von einem wirklich guten Trash-Filmer unterscheidet, ist mehr oder weniger unverzeihlich, nämlich dass er viel zu viele Grenzen respektiert, dass er zu vorsichtig argumentiert und zu mainstreamig auflöst.

Bislang sind auch die Versuche Bolls, mit dem Mittel der Drastik auf die Wirklichkeit zuzugreifen, "Dafour", "Tunnel Rats" oder "Siegburg", nur als harte Gesten angesehen worden, ein paar Körpertreffer, aber auch vieles, was danebengeht. Einen Film mit den Mitteln des Torture Porn über Auschwitz zu drehen allerdings bedeutet vielleicht nun auch für diesen Regisseur, eine Grenze im Trash zu überschreiten. Schon der YouTube-Trailer erzeugt Reaktionen, die man mit "Aufregung" nicht mehr beschreiben kann. Vielleicht erwartet uns der erste Uwe-Boll-Film, der wirklich wehtut.

Doch erst einmal geht es - in "Max Schmeling" - für diesen Regisseur gemächlich zu. Einem Film wie diesem wirft man nicht vor, dass er nicht "gut" sei. Du lieber Himmel! Man sieht ihm halt an, dass er sein Budget nicht besonders gut verwaltet hat. Davon gar nicht zu reden, dass Henry Maske zwar der richtige Typ ist und seiner schauspielerischen Aufgabe mit etwas dezenterer Führung durchaus gewachsen wäre, nicht aber der sprachlichen.

Die Entscheidung, ihn nicht synchronisieren zu lassen, ist kühn, aber es macht nicht den Eindruck, als wäre sich irgendjemand dieser Kühnheit bewusst gewesen. Man muss sich nur den Film ansehen, in dem der echte Max Schmeling spielte, "Knock Out", um zu verstehen, wie man einen Nichtschauspieler mit einem genügend ausgeprägten Ego führen kann: Raum um ihn schaffen, keine direkten Konfrontationen des Profischauspielers mit dem Nichtschauspieler-Star, keine emotionalen Extreme, lieber Selbstironie als Dramatik, eine allgemeine Tonlage der Beiläufigkeit und keine Nahaufnahmen in falschen Momenten.

Ansonsten aber ist die Reibung zwischen Darsteller und Dargestelltem, die schauspielerische Unbeholfenheit bei gleichzeitig ausgeprägter Präsenz, ja eine durchaus akzeptierte Technik: Sportfilme wie Sportler in Filmen erzählen schließlich immer wieder das Märchen der Unschuld und ihrer Gefährdung. Sie wollen auf etwas Fundamentales und Reines hinaus, bei dem zu viel Schauspielerei nur stört. Einer wie Henry Maske kann das durchaus wiederherstellen. Seinerzeit im Ring, und auch eine Filmkamera kann das noch in ihm entdecken.

Uwe Boll und Henry Maske also haben einen Film über Max Schmeling gemacht, vom Boxen verstehen sie beide etwas, zu ihrem Helden haben sie ein ungebrochenes Verhältnis von Bewunderung und Sympathie. Daher ist nichts an diesem Film zynisch, große Jungs spielen große Jungs für große Jungs (und ein paar Mädchen mit unkonventionellem Geschmack). Und sie machen es auf herzzerreißend direkte Art, man sieht hier eine der großen Wahrheiten des Trash-Films, dass "dilettantisch" vor allem bedeutet, dass man etwas aus Liebe macht.

Aber es reicht nicht für einen großen Film, auch nicht für einen großen kleinen Film. "Max Schmeling" möchte es viel zu vielen recht machen, er buhlt um Anerkennung von falscher Seite und kämpft dabei, wie einst Joe Louis, mit hängender Kampfhand. Das Problem ist dabei ein Drehbuch, das mit keiner Überraschung, keiner unerwarteten Variante, keiner Doppeldeutigkeit aufwartet. Und Max Schmeling erscheint in Uwe Bolls Film auch im moralischen Sinne besser, als er sich je selber gemacht hat. Nie nämlich hat der von seinen kleinen Gesten von Widerstand und Loyalität erzählt ohne den Hinweis darauf, dass er alles andere als ein Held war.

Max Schmeling und Anny Ondra, der massige Boxer und die grazile Schauspielerin und Tänzerin (die Europameisterin im Augenwimpernklimpern), das war so etwas wie ein Traumpaar gegen Ende der Weimarer Republik, in aller Unschuld weltläufig, eigentlich völlig ungeeignet für Rassismus, Nationalismus und Militarismus ringsherum. Aber sie konnten nicht standhalten. Schmeling wurde zur "lebendigen Propaganda", wie der Völkische Beobachter schrieb, er war kein Parteigänger der Nazis, aber sein Wunsch, dazuzugehören, brachte ihm, um das Mindeste zu sagen, eine Menge falscher Freunde ein. Die Unschuld ist so wenig zu retten wie die fundamentale Reinheit des Boxkampfes. Was dem Film völlig abgeht, sind Elemente von Trauer und Zorn, von bitterer Komik vielleicht, vom Empfinden der obszönen Gewalt des Faschismus.

So entstand am Ende leider so was wie eine etwas unterproduzierte, handwerklich ein bisschen sorglose, aber dafür weniger homogenisierte Variante jener Degeto-Produktionen des nationalen Feel-good-Movie, mit der seit Jahr und Tag eine lange, zähe Revision der deutschen Geschichte betrieben wird: Alle waren gut, nur Hitler war böse, Goebbels war komisch, und der Widersacher des guten Deutschen war der "Nazi-Scherge", der brüllt und mörderische Papiere unterschreibt. Und irgendwie schön war sie doch, diese Zeit.

"Max Schmeling". Regie: Uwe Boll. Mit Henry Maske, Susanne Wuest u. a. D 2010, 123 Min.

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