TANTE EMMA MIT BART
: Der Selbstzahler

Haste Geld auf den Tisch gelegt, ne?

Ich steh schon ewig in dem Laden. Die Fliegen vollführen Balztänze über dem Obst. Kein Schwein weit und breit will mir mein Geld abnehmen. Also räusper ich mich, klimper mit den Münzen in meiner Hand und murmel schließlich sogar irgendwas wie „Keiner da?!“ vor mich hin.

Vor der Tür sitzt eine alte Frau auf ihrem ausklappbaren Campingstuhl und zerkaut gekonnt Sonnenblumenkerne. Als ich mich anschicke, sie mit meinem Zahlungswunsch zu belästigen, vollführt sie eine alle Fragen hinfortwischende Handbewegung. Also gut, zurück in das Kabuff. Genervt öffne ich den Deckel der Flasche. Keiner kommt. Vorsichtshalber lege ich das Geld passend auf den Tresen und stelle mich erst mal vor die Tür zu der ergrauten Sonnenblumenlady. Nichts passiert. Jetzt laufe ich los. Erst zögernd, dann selbstbewusst – immerhin hab ich mir nichts vorzuwerfen –, schließlich sogar etwas beschwingt.

Dann die ersten Zweifel. Warum hast du jetzt eigentlich bezahlt? Weil es ein türkisches Geschäft war? Weil du altersweise beziehungsweise senil wirst? Weil es keine große Kette, sondern der Kreuzberger Tante-Emma-Laden um die Ecke ist? Noch vor wenigen Jahren wär ich doch mit mindestens drei Duplos und einer Flasche Wodka in der Tasche aus dem Shop gekommen, noch ein paar Jahre vorher vielleicht auch mit der ganzen Kasse.

Was soll’s, sage ich mir, nun bist du halt alt und der Nervenkitzel kommt schon beim Straßeüberqueren. Anderntags laufe ich wieder am Geschäft vorbei und bekomme galant eine sanfte Nackenschelle verpasst. Ein breit grinsender Hüne mit Vollbart steht vor mir.

„Hast letzte Mal Geld auf den Tisch gelegt, ne? Wir haben dich die ganze Zeit beobachtet von der anderen Straßenseite, ob du was klaust! Haste nich, ne! Jetzt kannst du immer kommen und Geld einfach hinlegen!“

JURI STERNBURG