Scheiternde Geschäftsmodelle

SELBSTVERSUCH Die inszenierte Dokumentation „Nichts ist besser als gar nichts“ von Jan Peters

Die naiven Jahresbilanzfilme, die souverän mit dem Charme des Fehlerhaften spielen, sind richtig groß

VON DETLEF KUHLBRODT

Jan Peters ist einer der großen Helden des kleinen Films. 1990 hatte er sich zum ersten mal vor seine Super-8-Tonfilmkamera gestellt. So entstand der dreiminütige Film „Ich bin 24“. Fast drei Minuten lang sieht man den Filmemacher über sein Leben sprechen, bis das Ende der Filmrolle ihm plötzlich mitten im Satz das Wort abschneidet. Auf „Ich bin 24“ folgte „Ich bin 25“, und das ging viele Jahre so weiter. Zunächst hatte er die meist allein mit einer fahrigen Kamera gedrehten Filme nur für sich gemacht, bis er sie einmal in Partylaune Freunden vorführte, die ganz begeistert waren.

Die sozusagen naiven Jahresbilanzfilme von Jan Peters, die souverän mit dem Charme des authentisch Fehlerhaften spielen, sind jedenfalls richtig groß. Thematisch ähnlich lag die „Aber den Sinn des Lebens hab ich immer noch nicht rausgefunden“ betitelte Serie, in der sich verworrene Ideen mit großen Erkenntnissen mischen.

„Nichts ist besser als gar nichts“ ist der bislang konventionellste Film von Peters und wurde beim Dokumentarfilmfest in Leipzig gerade uraufgeführt. Als inszenierte Dokumentation hätte der Film auch auf einem Spiel- oder Experimentalfilmfestival gezeigt werden können. Die Genregrenzen sind ja recht durchlässig geworden, und Jan Peters’ thematisch und von den Grundkoordinaten ähnlicher Kurzfilm „wie ich ein freier Reisebegleiter wurde“ war 2007 mit dem Preis der deutschen Filmkritik in der Sparte Experimentalfilm ausgezeichnet worden, obwohl er im Gegensatz zu „Nichts ist besser als gar nichts“ näher an der selbst erlebten Wirklichkeit dran war.

Und die spielte sich in echt so ab: Nachdem er seine Freundin also zum Frankfurter Flughafen begleitet hatte, hatte er einen Frührentner kennen gelernt, der sein Geld damit verdiente, dass er sich täglich eine Gruppenkarte für die U-Bahn kauft und dann am Fahrkartenautomaten Reisenden anbietet, sie gegen eine kleine Kostenbeteiligung zu ihrem jeweiligen Reiseziel zu begleiten. Der Kurzfilm handelte davon, wie Peters versucht, bei diesem Rentner ein Praktikum zu machen.

„Nichts ist besser als gar nichts“ variiert diese Geschichte, baut sie aus und verknüpft sie mit verwandten Bereichen. Am Anfang sieht man also den Filmemacher. Unglücklicherweise hat er seine Brieftasche im Gepäck seiner Freundin vergessen, die grad in ferne Welten geflogen ist, hat aber noch eine Gruppenkarte der öffentlichen Verkehrsmittel dabei. Nun hat er die Idee, wie der oben erwähnte Rentner vorzugehen.

Der Erste, der sein Angebot annimmt, ist ein Unternehmensberater, der ihm dann eher aus Spaß Tipps zu einem Existenzgründungsunternehmen gibt, die der Filmemacher dann auch befolgt: er denkt sich eine passende Kleidung für seine Tätigkeit aus, besorgt sich Visitenkarten mit eingängigem Slogan – „Sei fit – fahr mit“ –, überwindet seine Schüchternheit und spricht Reisende an, die sein Angebot aber selten wahrnehmen.

Der Existenzgründer scheitert die meiste Zeit, lernt aber interessante Menschen und deren Lebenswelten kennen: einen Obdachlosenzeitungsverkäufer, der gleichzeitig im Bahnhof eine paralleleuniverselle Sozialanlaufstelle betreibt, die mit ihren sich verschlechternden Arbeitsbedingungen hadernde Tagesmutter Susanne Wiest, die eine Petition zur Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens eingereicht hat; Künstler, die auf dem Dach eines Museums imkern usw. Der Film lebt durch die grundsympathische Ausstrahlung von Jan Peters und seine Off-Stimme. Parallel zum Kinostart startet die Aktion „Kino für alle“, die BezieherInnen von Hartz IV den Kinobesuch von „Nichts ist besser als gar nichts“ zum Tagessatz von 1,30 Euro für „Freizeit, Kultur und Unterhaltung“ möglich machen soll.

■ „Nichts ist besser als gar nichts“. Regie: Jan Peters. Inszenierte Dokumentation. Deutschland 2010, 89 Min.