Hochzeitsmesse: Die große Beschwörung der Liebe

Wer die "perfekte" Hochzeit plant ist auf der Messe "Trau Dich!" genau richtig. Wer schon Angst vor dem Wort "perfekt" hat, sollte auf jeden Fall fern bleiben.

Es gibt viel zu bedenken: Welche Ringe sind die richtigen? Bild: Promo

Es wird wenig geknutscht. Kaum Händchen gehalten. Für solche Fisimatenten ist keine Zeit, wenns um den Stand der Ehe geht. Es sind längst nicht so viele Paare hier, wie man erwarten würde. Dafür viele Frauengruppen: Braut und beste Freundin; Braut und Mutter; Braut und Schwiegermutter; Braut und die besten drei Freundinnen und Mutter und Schwiegermutter.

Im Schuppen 52 im Freihafen lud die Messe mit dem appellativen Titel "Trau Dich!" Menschen ein, die im Begriff sind, den vermeintlichen Bund fürs Leben zu schließen. Es ist offensichtlich so, dass diejenigen, die für eine Eheschließung in Frage kommen, einen letzten Stoß und viel Hilfe brauchen, damit sie das mit dem Heiraten schaffen.

"Trau Dich!" ist für heterosexuelle Paare, Leitkultur gibt es auch: Wenn binational geheiratet wird, dominiert Deutsch.

Der Tag, so wird uns in dieser Halle suggeriert, in der es nach Minze riecht, entscheidet alles: das Eheglück, den Kindersegen, Treue, Liebe, als ob danach nicht viele Nächte kommen, die nicht so wichtig aussehen, aber es möglicherweise sind. Wir wissen alle, wie prekär die Liebe ist, da muss man zur Stabilisierung nehmen, was man kriegen kann.

Von den Servietten und deren Faltung, übers Foto, das bleibt, wenn die Liebe weg ist, das Essen, die Kirche, das Auto, die Hochzeitsreise, die Flitterwochen, den Ehevertrag, den Alleinunterhalter oder das Duo "2sam", den Hochzeitsfilm, das Kleid, das Restaurant, das Hotel, die Serviettenringe, das Essen, den Junggesellenabschied, die Einladung der Gäste, den Anzug, die Karten, die Ringe…

Es hat sich eine Industrie ums Heiraten entwickelt, so wie es eine bei den Kindern gibt. Je weniger es gibt, desto preziöser die paar, die gemacht werden.

Es ist so viel zu beachten, bedenken und entscheiden, wenn man sich das Heiraten als bedeutsamen Vorgang einreden lässt, dass hier im Schuppen etliche Agenturen ihre Dienste anbieten, die denen, die sich einerseits den Ansprüchen nicht entziehen können und dann vor der damit verbundenen Herausforderung kapitulieren, einen Rundum-Service anbieten. Die eine unter dem Slogan: "Ihr Fest zum Festpreis", die andere unter dem Motto: "Sie träumen, wir planen." Und die dritte verspricht: "Wir organisieren Ihnen die perfekte Hochzeit." Nicht viele Wörter sind so bedrohlich wie "perfekt".

Immer hat das Bürgertum das, was es zu sein begehrt, an diesem Tag in besonderer Weise inszeniert. Und damit auch das, was es nicht ist. Je höher die Scheidungsraten, desto größer die Beschwörung der Liebe - der ewigen. Das Prekäre soll wenigstens einmal sicher aussehen. Je mehr die kapitalistische Gesellschaft sich über die Ware definiert hat, desto wichtiger sollte das sein, was nicht Ware ist, sondern frei von allem, was mit Geld zu tun hat. Das kann nicht klappen, denn gerade der Versuch, die Liebe von allem Warencharakter frei zu halten, hat ihren Preis. Das wird uns klar, wenn eine "Kanzlei für Familienrecht, Erbrecht, Gesellschaftsrecht" ihre garantiert unverzichtbaren Dienste anbietet.

Ein paar Männer haben den Taschenrechner dabei, einige rechnen im Kopf. Man sieht es an den Sorgenfalten. Bei so einer Hochzeit kommt ganz schön was zusammen. "Das hängt vom Budget ab", sagt verbindlich die Dame einer Agentur einem zögernden Interessenten, "es gibt lustigere Sachen, die man optional machen kann". Und dann verspricht sie: "Ich rechne nicht knallhart nach Stunden ab." Der Kunde bleibt skeptisch. Es ist aber der "Fiancée" schwer zu vermitteln, dass wir selbst an diesem Tag aufs Budget achten müssen. Überall rufen uns kleine Schilder "Messerabatt" zu. "Trau Dich!" ist für Menschen, deren finanzielle Mittel begrenzt sind.

"Wir begrüßen sie zu einer der größten, schönsten und besten Hochzeitsmessen auf unserem Planeten", schmalzt Charly Reinhardt, der bei der Modenschau den Conferencier gibt. Reinhardt stolpert über sprachliche Herausforderungen wie "Sateng" und "ähm Ororganza". Auf den Schuhsohlen der nervösen Models kleben noch die Preisschilder. Die männlichen Models müssen mehr Show machen, weil ihre Klamotten traditionell wenig aufsehenerregend sind.

Witzig ist auf dieser Messe nur eine Süßwarenfirma, die auf der Nascherei "M & Ms" acht Zeichen in die Glasur druckt: "Heirat?" - passt. Muss der Partner nur noch ein "Ja" finden. Und dann kann man es essen.

Eine Beauty-Agentur sorgt dafür, dass alle Frauen hübsch gleich aussehen. Auf Langeoog kann man die Ringe selbst schmieden. Wers nicht kann, lernt tanzen. Damit man sich beim Brauttanz nicht blamiert. "Onetwostep", säuselt der pummelige Tanzlehrer und irgendwann sagt er "und fäddich". Die Fertigkeiten zur bürgerlichen Eheschließung sind nicht da, aber lassen kann mans trotzdem nicht. Da gibt es eine Kraft, die uns gerade dort bestimmt, wo keiner was zu melden hat. Außer wir wehren uns. Hier kann man diese Kraft an der Arbeit sehen.

Da hinten, vor der Betonwand, stehen zwei, die sind glücklich. Sie muss immer lächeln, wenn sie ihn ansieht. Er auch. Sie streicht sich ihre Haare hinters Ohr. Er flüstert ihr was ins Ohr. Ihre Wangen werden wie Pfirsich und sie beißt sich auf die Unterlippe.

Viele von denen, die hier durch die Gänge latschen, sind fortgeschrittenen Alters. Es könnte sein, dass es nicht bei allen die erste Ehe ist. Die wissen, wie sich das anfühlt. Die Jungen probieren es aus: Wie ist das mit dem Ring, was sagt mir der Stoff des Kleids, wie schmeckt das Essen vom Catering-Service, welche Musik wollen wir? "Sind hier keine Shows?", fragt eine Frau, der alles zu beschaulich zugeht.

Etwas abseits finden wir die Kirchen. Ein gemeinsamer Stand der evangelischen und der katholischen Kirche, gelebte Ökumene, ein Ständer mit einer Broschüre: "12 gute Gründe in der Kirche zu sein". Es scheint schlecht um die Kirchen zu stehen.

Als wir draußen stehen, ziehen wir den Hut ins Gesicht. Der Wind ist derb und macht Wellen auf den Pfützen, aber die Sonne scheint ein bisschen auf die Kräne im Freihafen.

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