Das Unbehagen unter der Coolness

PERFORMANCE Mit poetischen Videos, Fotos und Performances untersucht Zachary Fabri, welche Unsicherheiten und Sehnsüchte jenseits der coolen Oberfläche liegen. In der Galerie Open

Auf Reisen führt Zachary Fabri eine Art Tagebuch: Die Kamera ist sein Buch, die Bilder seine Worte. Er selbst ist der Hauptdarsteller. Er geht Assoziationen nach, die man nur haben kann, wenn die Straße, die Erde, der Baum noch nicht vom routinierten Auge übersehen werden.

Ein Videoclip von Berlin-Pankow zeigt zum Beispiel im Hintergrund ein Mehrfamilienhaus, davor parkende Autos und eine alte grüne Wasserpumpe. Zarachy Fabri pumpt am Hebel, und heraus kommt ein Schwall Wasser. Er nimmt eine Schale, stellt sie unter den Hahn, kniet sich vor die voll gelaufene Schüssel und wäscht ruhig sein Gesicht. Der Reiz dieser Szene liegt im Kontrast zwischen der europäischen Szenerie und dem archaischen Gestus.

Wie er auf einfache Art einen vertrauten Gegenstand unseres Alltags in eine zweite Kultur einführt, sich ein Stück Heimat mit fremden Mitteln verschafft, das wirkt ebenso berührend wie beunruhigend. Hier ist eben nicht alles klar, in Ordnung, „cool und easy“. Unter der Oberfläche einer globalisierten Welt stößt man bei ihm auf Zugehörigkeitsfragen, komplexe Sehnsüchte, Unsicherheiten. Für dieses Unbehagen steht auch der Titel seiner Ausstellung in der „Galerie Open“ in Berlin-Kreuzberg: „Not Cool: Out of Balance“.

Fabri hat am New Yorker Hunter College Kunst studiert und seine Arbeiten hauptsächlich in New York sowie in Island und Norwegen gezeigt. Aufgewachsen ist der 33-Jährige in Miami, seine Eltern kommen ursprünglich aus Ungarn und Jamaika. Viele seiner Arbeiten sind an diesen Orten entstanden.

Vor allem seine Videos leben davon, dass sich Fabri selbst zum Gegenstand der Kunst macht. Natürlich darf man den Künstler nicht mit der Privatperson verwechseln, und doch wirken die Sequenzen hauptsächlich durch die Authentizität und Empathie, mit der Fabri seine Umwelt begreift.

Es sind Bilder voller Poesie, die er scheinbar unpoetischen Gegenständen entlockt. Das Bullauge eines Schiffs auf der Donau, in dem sich Fabris pinkfarbenes T-Shirt winzig klein wie eine Wiesenblume hin und her wiegt. Oder die orange Erde Brasiliens an den Händen des Künstlers, die sich mit einem Klatschen zu Staub verflüchtigt. Fabri greift in seinen Arbeiten ein theatrales Moment auf: Er versteht seine Kunst als flüchtig.

So wie von einem Theaterabend nur die Erinnerung bleibt, so bleibt von Fabris Kunst nur ein Erinnerungsvideo von der bereits vergangenen Aktion. Das Gleiche gilt für seine Fotos, die ästhetisch oft cleaner sind. Zwei Kissen zum Beispiel, aufgenommen im Hotelzimmer in Miami. Wie Gesichter schlagen ihre Überzüge Falten und lehnen am Kopfende des Bettes. Sobald das Zimmermädchen kommt, ist die Anordnung zerstört, sichtbar nur noch auf der Fotografie. Wahrhaftigeres als die Erinnerung bringt man eben von keiner Reise mit. BARBARA BEHRENDT

■ Galerie Open, Legiendamm 18–20, Di.–Fr. 14–19 Uhr, Sa. 11–20 Uhr, bis 22. Januar 2011