Clubmusik zwischen den Kontinenten

FESTIVALSTART Die Worldtronics eröffnen mit einem deutsch-kenianischen Projekt von Berliner Produzenten und Rappern aus Nairobi

So hatte man das Gebäude tatsächlich noch nicht erlebt. Konzerte gibt es im Haus der Kulturen in der Regel in allen zur Verfügung stehenden Räumen, einzig das Foyer blieb bisher ausgespart. Dabei eignet sich die offene Empfangshalle ziemlich gut für Konzerte, wie man am Mittwoch bei der Eröffnung des Worldtronics-Festival erleben konnte. Wo sonst verlorene Grüppchen die Pausen absitzen oder locker herumstehen, versammelte sich jetzt das Publikum zwischen kargen Betonsäulen.

Für die aktuelle Ausgabe von Worldtronics, in der elektronische Musik fernab der üblichen europäischen und nordamerikanischen Szenen das Programm bestimmt, präsentierte man zum Auftakt eine neuartige musikalische Städtepartnerschaft: Musiker aus Kenia erkundeten einen Abend lang gemeinsam mit Berliner Produzenten wie den Gebrüdern Teichmann, Modeselektor oder der Band Jahcoozi die Möglichkeiten einer interkontinentalen Clubmusik.

Das Projekt „BLNRB“ geht auf eine Initiative der Gebrüder Teichmann und des Goethe-Instituts Nairobi zurück. Andi und Hannes Teichmann waren im vergangenen Jahr in die kenianische Hauptstadt gereist und hatten die Szene um die Rapper Lon’ Jon, Abbas und Nazizi erkundet. Jetzt waren umgekehrt die Partner aus Nairobi in Berlin zu Besuch. Bevor man aber die Ergebnisse des Zusammentreffens zu hören bekam, stellten sich die Gäste in kurzen Solo-Auftritten vor, darunter auch der blinde Sänger Michel Ongaro mit seiner eigenwilligen Mischung aus afrikanischer Musik, Flamenco und Belcanto.

Spannender als die Soloauftritte war das eigentliche BLNRB-Projekt zum Ende des Abends. Besonders den Gebrüdern Teichmann gelang es, ihren minimalistisch geprägten Techno-Sound zu wahren und dennoch im Dialog mit den Rappern etwas Neues entstehen zu lassen, eine Clubmusik ohne spezifischen Ort. Jahcoozi und Modeselektor hingegen klangen eigentlich wenig anders als sonst auch. Ihre Musik zwischen HipHop, Dubstep, Grime und diversen anderen basslastigen elektronischen Spielarten ist so offen und von Kollaborationen geprägt, dass sich die Gäste aus Nairobi mühelos einpassten.

Nach einem Ausflug in die Rumba-Szene von Barcelona wird heute Abend die russische Elektronik-Szene zwischen Pop und Folklore vorgestellt. Die Mexiko-Nacht am Samstag schließlich kuratiert der musikalische Nomade Matias Aguayo und bringt eine bunte Mischung aus elektronischer Cumbia und Trachtenkapelle.

Ob es das Festival im nächsten Jahr noch geben wird, ist hingegen alles andere als gesichert. Das Auswärtige Amt plant für das Jahr 2011 eine Kürzung der Regelförderung um 250.000 Euro. Intendant Bernd M. Scherer sprach am Eröffnungsabend von Worldtronics von einer „existenziellen Bedrohung“ in dem Sinne, „dass wir das Haus nicht mehr vernünftig bespielen könnten und damit unseren Auftrag nicht mehr erfüllen könnten“.

In Scherers Planung heißt das konkret für Worldtronics: „Da das Haus nur bei Projekten streichen kann, die nicht über Drittmittel finanziert sind, und Worldtronics das letzte Projekt dieser Art im Jahr ist, müssten wir es jetzt streichen.“ Scherer hofft nun, das Geld doch noch anderweitig über die Projektförderung des Auswärtigen Amts eintreiben zu können.

TIM CASPAR BOEHME

■ Worldtronics, Haus der Kulturen der Welt, bis 4. 12., Various Artists: „BLNRB EP“ (Out Here Records)