Der Wille zur Show

KONZERT Die gefeierte R & B-Sängerin Janelle Monáe stellte im Berliner Postbahnhof ihr genresprengendes Debütalbum vor

VON TIM CASPAR BOEHME

Sie hat eine ordentliche Portion Charisma. Und reichlich Energie. Seit ihr Debütalbum „The ArchAndroid“ im Sommer erschien, ist die Sängerin Janelle Monáe eine der ganz großen Hoffnungen des R & B. Von Hiphop über Folk bis zu Rock und Klassik mischt sie so ziemlich alles, was ihr gefällt, ohne Furcht vor Bombast oder schroffen Kontrasten. Die vor wenigen Tagen 25 Jahre alt gewordene Sängerin aus Atlanta hat innerhalb kürzester Zeit so viel wohlwollende Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, dass man versucht ist, nur noch in Superlativen von ihr zu denken und zu schreiben.

Das ist dann vielleicht doch ein bisschen viel des Guten, tolle Platte hin oder her. Auch Monáes pompöse Selbstinszenierung als Android, der wie eine positive Umkehrung des destruktiven Roboters Maria aus Fritz Langs Film „Metropolis“ die Welt vereinen soll, schießt ein wenig übers Ziel hinaus. Der Science-Fiction-Klassiker hat es der Musikerin sogar so sehr angetan, dass er auch bei ihrem Konzert im Berliner Postbahnhof nicht als Hintergrundkulisse fehlen durfte.

Die Erwartungen an Monáes erstes großes Konzert in der Hauptstadt waren spürbar hoch. Popkundiges Publikum nicht immer ganz so jungen Alters drängte sich schon in der Aufwärmphase vor der Bühne, während es von einem DJ mit Stevie-Wonder-Klassikern oder Disco-Edits von Hot Chocolate angefüttert wurde. Als schließlich ein elegant gewandeter Herr mit schwarzem Zylinder das Kommen der Künstlerin verkündete, war man hinreichend auf Sensationelles vorbereitet.

Und tatsächlich geht die Inszenierung der „Emotion Pictures“, so die offizielle Präsentationsformel für die Platte, zunächst ganz gut auf. Monáe erscheint als riesenhafte Androidenprojektion auf der Leinwand, verkündet als Rettung der Menschheit die Losung „Dance or Die“. So lautet auch der Titel des ersten Songs ihres Albums, der kurz darauf erklingt, wobei sich die Sängerin unter einer Mönchskutte verbirgt.

Doch schon in den ersten Takten macht sich bemerkbar, dass etwas nicht stimmt. Die Stimme ist für den coolen Charakter des Songs viel zu hoch und scharf intoniert, Monáe spult ihr Programm konzentriert, aber ohne erkennbare Leidenschaft herunter. Und so geht es durch die verschiedenen Stationen ihres Albums weiter. Unterstützt von einer handwerklich soliden, aber musikalisch blass agierenden Band bekommt man eine weitgehend akkurate Reproduktion eines Tonträgers. Was irgendwie fehlt, ist Soul.

Vielleicht hat Monáe sich ja in den Kopf gesetzt, dass sie ihre Mission nur im straffen Korsett einer durchgestalteten Show erfüllen kann, und dabei vergessen, dass ein Konzert nicht allein dadurch gelingt, dass es gut läuft. Der einzige Exzess, den sie zulässt, ist das regelmäßige Aus-der-Form-Geraten ihrer Monstertolle, die sich gegen Ende des Konzerts in Wohlgefallen auflöst. Ihrer Stimme erlaubt sie derlei Expressivität lieber nicht. Was schade ist, denn dass sie es besser kann, hat sie bei einem Berliner Open-Air-Auftritt im Juli – bei sengender Hitze – unter Beweis gestellt.

Der intimste Moment des Abends ist denn auch ein Duett mit ihrem Gitarristen, in dem sie einen Song singt, der ausgerechnet nicht vom Album, sondern von ihrer vor zwei Jahren erschienen EP stammt: „Smile“, eine stille Ballade, komponierte einst Charlie Chaplin.

■ Janelle Monáe: „The ArchAndroid“ (Warner)