„So frieren Mönche nicht“

SAMMLER Bei dem roten Kardinalsbirett war es Liebe auf den ersten Blick. Dieter Philippi entdeckte seine Leidenschaft: Hüte von Geistlichen

■  Der Sammler: Dieter Philippi, 47, ist Unternehmer aus Saarbrücken und Besitzer der weltweit größten Sammlung klerikaler Kopfbedeckungen. Er sammelt Hüte, die Anhänger und Würdenträger unterschiedlicher Glaubensrichtungen im Alltag und während ihres Dienstes tragen. Mittlerweile besitzt er 505 Einzelstücke.

■  Der Gegenstand: Hüte sagen etwas über ihre Träger. Franziskaner wollen mit einem braunen Mischgewebekäppchen Erdverbundenheit ausdrücken, während freie Kirchen durch Gewicht und Farbe ihrer Kopfbedeckungen Unabhängigkeit von Rom demonstrieren.

■  Das Buch: Dieter Philippi: „Sammlung Philippi. Kopfbedeckungen in Glaube, Religion und Spiritualität“. Verlag St. Benno, 711 Seiten, 79 Euro

INTERVIEW LINDA TUTMANN

taz: Herr Philippi, tragen Sie eigentlich gerne Hüte?

Dieter Philippi: Wenn man wie ich nicht viele Haare hat, kann ein Hut sehr praktisch sein. Wenn es warm ist, trage ich besonders gerne meinen Panamahut, der schützt mich gegen die Sonne. Und im Winter hält eine Kopfbedeckung warm. Gleichzeitig ist der Hut ein sehr prägnantes Accessoire für einen Mann. Außerdem scheinen Hüte sehr in Mode zu sein, auch bei den jungen Leuten: In letzter Zeit sehe ich häufiger junge Rapper, die tragen auch immer Hüte oder diese Strickmützen.

Sie sammeln Hüte von Geistlichen verschiedener Religionen, 505 Einzelstücke besitzen Sie heute. Tragen Sie die auch?

Nein, da bleibe ich lieber bei meinem Panamahut.

Ihre Sammlung, behaupten Sie, sei die größte der Welt. Woher wissen Sie, dass es nicht noch einen Konkurrenten gibt?

Wissen Sie, ich sammle jetzt seit acht Jahren klerikale Kopfbedeckungen, und in den ganzen Jahren ist mir noch niemand untergekommen, der eine ähnlich große Sammlung hat. Manche Huthersteller sind die einzigen, die bestimmte Kopfbedeckungen herstellen können, die hätten ganz bestimmt etwas gesagt, wenn es noch jemanden gäbe mit einer ähnlichen Leidenschaft.

Wie hat es bei Ihnen angefangen?

Das war eher ein Zufall. Ich habe bei einem Urlaub in Rom ein Kardinalsbirett aus schimmernder roter Seide im Schaufenster einer Kleriker-Schneiderei entdeckt. Das war Liebe auf den ersten Blick. Ich war mir gar nicht sicher, ob dieser Hut käuflich ist. Aber ich bin einfach rein und habe gefragt – und er war es. Besonders teuer war er auch nicht: 40 Euro hat er gekostet. Danach dachte ich, dass es vielleicht schön wäre, auch einen schwarzen zu besitzen. So ist dann einer zum nächsten gekommen. Dass es irgendwann über 500 Stück sein würden, hatte ich nicht geplant.

Die Hüte gehören den Vertretern von Religionsgemeinschaften aller Kontinente. Wie kommen Sie an diese Stücke?

Der Anfang war recht mühsam: Ich habe klassisch über die Google-Bilder-Suche recherchiert: Was für Hüte gibt es? Wie sehen Sie aus? Und wo könnte ich Sie bekommen? In Deutschland sind fast alle Glaubensgemeinschaften vertreten, auch die exotischsten. Die habe ich dann angeschrieben und gefragt, wo ich ihre Kopfbedeckung bekommen könnte. Viele haben sich gefreut, dass sich jemand für ihre Gemeinschaft interessiert. Als ich einmal einen Vertreter der Kopten, einer christlich-orthodoxen Gemeinde aus Ägypten, angeschrieben und ihm mein Anliegen geschildert habe, hat er mir seinen eigenen Hut geschickt. Er hatte noch einen zweiten. Das war sehr nett.

Wie kommt es, dass Kleriker häufig ihren Kopf bedecken?

Das kann je nach Religion ganz unterschiedliche Gründe haben: Im Judentum zum Beispiel ist die Kippa ein Zeichen von Demut gegenüber Gott. Manchmal hat es aber auch ganz praktische Gründe. In den Kirchen war es früher sehr kalt: Damit die Mönche nicht frieren, haben sie häufig Kappen getragen, aus einem ganz einfachen Grund: Sie wollten nicht krank werden. Grundsätzlich sagt aber ein Hut auch sehr viel über den Rang des Klerikers aus: Er zeigt mit seiner Kopfbedeckung, welche Stellung er innerhalb der Glaubensgemeinschaft hat und auch welcher Glaubensgemeinschaft er angehört.

Sind Geistliche eitel?

„Besonders bei den amerikanischen jungen Priestern werden wieder mehr Hüte getragen“

Bestimmt gibt es auch Eitle unter den Geistlichen, wie überall. Aber ich habe das Gefühl, dass man diesen Typus eher in Italien findet. Dort gibt es sogar einen Kalender mit Bildern der schönsten Priester zu kaufen. Die Männer auf den schwarz-weißen Fotos sehen aus wie Models. In Deutschland wäre das nicht vorstellbar. Ich bin katholisch und sehe häufig, dass Priester mittlerweile einfach nur Alltagskleidung tragen. Die sehen aus wie du und ich, mit Jeans und Hemd. Mir gefällt das nicht. Ein Priester sollte doch durch seine Kleidung zeigen, dass er ein Gottgesandter ist.

Neigen Christen eher zu Pomp auf dem Kopf als andere Religionen?

Ja, besonders die Katholiken und die Orthodoxen. Dass sieht man ja nicht nur an der Kopfbedeckung, sondern auch an ihren Gotteshäusern. Man denke nur an den Petersburger Dom oder den Vatikan. Es gibt wohl keine Religion der Welt, die damit mithalten kann. Aber auch innerhalb des Katholizismus gibt es noch Abstufungen. Besonders pompös sind die Hüte der Orthodoxen.

Sie haben mal gesagt, dass jeder ihrer Hüte eine Geschichte erzählt. Zum Beispiel?

Eine Geschichte, die ich gerne mag, ist die von einem Hut aus Indien. Ich hatte ihn in einem einsamen Bergdorf anfertigen lassen und wollte, dass der Hutmacher ihn mir nach Deutschland schickt. Der Mann war überhaupt nicht begeistert von der Idee. Einen solchen wertvollen Hut von Indien über den Ozean nach Deutschland zu schicken, das war ihm nicht geheuer. Ich habe nicht ganz verstanden, warum er so skeptisch war. Anscheinend hat er der indischen Post nicht sehr vertraut. Nach wochenlangem E-Mail-Verkehr konnte ich ihn doch überzeugen. Er hat dann extra eine eigene kleine Holzkiste für den Transport gebaut und sie sehr schön verziert: Außen waren bunte Bilder draufgeklebt und innen war sie mit Samt ausgelegt. Ich mag die Kiste, sie erinnert mich an die lange Reise, die der Hut für mich gemacht hat.

Ein teurer Zeitvertreib.

Mir geht es um ein Gefühl, das ich habe, wenn ich wieder ein Päckchen zugestellt bekomme und ich ein neues Stück für meine Sammlung auspacken darf. Ich freue mich dann einfach, dass es geklappt hat. Die Lust am Erfolg kann ein wahnsinniger Motor sein. Ich wollte in irgendeiner Disziplin die Nummer eins auf der ganzen Welt sein. Jetzt habe ich die größte Sammlung klerikaler Kopfbedeckungen, das ist doch toll. Aber es bereitet mir auch keine schlaflosen Nächte, dass es Kopfbedeckungen gibt, die ich niemals bekommen werde.

Zum Beispiel?

Die päpstliche Krone. Sie ist aus Gold und mit Edelsteinen besetzt.

„Ich wollte in einer Disziplin Erster sein. Jetzt habe ich die größte Sammlung klerikaler Kopfbedeckungen“

Dabei haben Sie den Papst sogar schon getroffen.

Ja, aber nicht wegen der Krone, ich habe ihm meinen Bildband zu klerikalen Kopfbedeckungen überreicht.

Welche Trends gibt es in der klerikalen Hutmode?

Ich habe zurzeit das Gefühl, dass besonders bei den amerikanischen jungen Priestern wieder mehr Hüte getragen werden. Wer weiß, vielleicht kommt dieser Trend wieder zu uns? Spannend ist, dass weltliche Modedesigner sich manchmal von der klerikalen Mode beeinflussen lassen.

Die Haute Couture holt sich Inspiration von den klerikalen Schneidern?

Donna Versace hat sich zum Beispiel mal in einer ihrer Kollektionen von den Priestergewändern beeinflussen lassen. Ob das jedoch jemand kauft? Ich weiß es nicht.