Mit Hitler spielt man nicht

KARTENSPIEL Seit drei Jahren gibt es das in Hamburg erdachte „Tyrannen-Quartett – die übelsten Dikatoren der Welt“. Auf der Spielwarenmesse in Nürnberg lancierte die „Nürnberger Abendzeitung“ nun einen Skandal um die Hitler-Spielkarte

In der vergangenen Woche war das Label „Weltquartett“, hinter dem Jörg Wagner, Markus Schäfer, Jürgen Kittel aus der Hamburger Kurzfilmszene stehen, auf die Spielwarenmesse in Nürnberg geladen. Die Messeleitung hatte sich eigens an sie gewandt und sie gebeten, ihre Quartette auf der Messe zu zeigen. Der Einladung folgten sie gern, bauten einen kleinen Stand eher am Rand des Messetrubels auf und präsentierten dort die fünf verschiedenen Quartette: Tyrannen und Tyrannen II, Seuchen, Rauschgift und Ungeziefer.

„Am zweiten Messetag kam dann ein Mann von der Nürnberger Abendzeitung und stellte mir ein paar unverfängliche Fragen“, sagt Jürgen Kittel von „Weltquartett“. Seit wann gibt es das Tyrannen-Quartett? Seit 2008. Was ist das eigentlich? Ein 32-Karten-Quartett mit den übelsten Diktatoren der Welt in den Gruppen Monarchen, Faschisten, Kommunisten, Militärs, Kleptokraten, US-Marionetten, Religiöse Eiferer, Völkermörder wie Adolf Hitler, Saddam Hussein, Idi Amin oder Josef Stalin. Wie geht das Spiel? Wie ein stinknormales Quartett mit den Kategorien Geburtsjahr, Alter bei Machtübernahme, Herrschaftsdauer, Todesopfer, Privatvermögen. Hitler ist mit 55 Millionen Todesopfern der „Blitztrompf“ – also die Karte, mit der ein Spieler sofort gewinnt. „Er verabschiedete sich dann mit den Worten: Das könnte meinem Chef gefallen“, sagt Kittel.

Hitler ist Blitztrompf

Was er damit meinte, war am nächsten Tag in der Nürnberger Abendzeitung zu lesen: „Skandal um Kartenspiel: Hitler ist ‚Blitztrompf‘!“ Das gefiel offenbar nicht nur dem Chef, sondern rief auch die Kriminalpolizei auf den Plan, die mit einigen Beamten am Messestand vorbeikamen, den Fall auf- und eins der Quartette mitnahmen und den Fall an die Staatsanwaltschaft weiterleiteten.

„Wir hatten große Abzüge der Quartett-Karten am Stand, die mit dem Konterfei von Hitler mussten wir abhängen“, sagt Kittel. Auf die Frage, was ihm denn nun vorgeworfen werde, hieß es: das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Strafgesetzbuch Paragraf 86a. Er habe noch Glück gehabt, dass das gelbe ‚Blitztrompf‘-Zeichen auf der Hitler-Karte die Nationalflagge des Deutschen Reichs überdecke. „Das war natürlich kein Glück, sondern Absicht“, sagt Kittel.

Als die Polizei weg war, ging der Rummel fröhlich weiter. „Der Messeleiter, der uns ja selbst eingeladen hatte, kam vorbei und forderte uns auf, auch das Quartett Tyrannen II zu entfernen“, sagt Kittel.

Weg mit den Tyrannen

Die Erklärung: Alles, was gegen den guten Geschmack verstoße, sei auf der Messe unerwünscht. „Wie da der ganze Ausstellungsbereich mit Kriegsspielzeug reinpasst, konnte er mir dann aber nicht beantworten.“ Kittel entschied, dass die Messe für ihn gelaufen sei und baute alles ab: „Leider wollte der Messeleiter sich nicht auf eine kleine Wette einlassen, dass wir im Karnevalsbereich sicher eine Idi-Amin-Latexmaske finden würden.“

Für Kittel kam die ganze Aufregung überraschend. Schon als das Tyrannen-Quartett 2008 auf den Markt kam, war es in den Medien präsent. An dem Namen Hitler kommt hierzulande ja so schnell keiner vorbei. Aber bislang war niemand auf die Idee gekommen, dass das Tyrannen-Quartett etwas anderes als Satire sein könne. „Wir führen fort, was mit Charly Chaplin vor 70 Jahren begann“, sagt Kittel. „Unser Spiel ist eine Parodie und keine Diktatoren-Glorifizierung.“

Ob die Sache nun wirklich zu einem Skandal wird oder eher unter „Viel Lärm um nichts“ verbucht werden kann, entscheidet nun die Staatsanwaltschaft. „Da sich noch niemand bei uns gemeldet hat, ist wohl keine Gefahr in Verzug“, sagt Kittel. „Aber die medialen Auswirkungen sehen schon so aus, als hätte man es mit einem handfesten Skandal zu tun.“ Selbst der Guardian hat jetzt über das Tyrannen-Quartett berichtet, die Times und CNN haben angefragt, ebenso wie die Bild am Sonntag, die Wiener Kronenzeitung und einige mehr. Erst mal bleibt Kittel nichts anderen übrig, als abzuwarten. „Wenn die Sache im Sande verläuft, werden wir zwar keinen Dankesbrief an die Nürnberger Abendzeitung schicken, aber zu unserem Nachteil war die Aufregung nicht.“ Die eine oder andere Tyrannen-Quartett-Bestellung trudelte bereits ein. ILKA KREUTZTRÄGER