Das Lachprogramm des Alten Meisters

GRATULATION Zum Gedenken an den Schriftsteller Thomas Bernhard fand im Deutschen Theater in Berlin eine Lesung statt

Die zeitlichen Hintergründe von Bernhards Werk mögen verschwunden sein, an Komik und Rhythmus bleiben seine Satztiraden unerreicht

Gestern wäre Thomas Bernhard 80 Jahre alt geworden. Seit seinem Tod 1989 hat sich sehr viel geändert und die Frage ist darum, was das Werk Bernhards, das in der Werkausgabe im Suhrkamp Verlag erscheint, heute noch leisten kann.

Dieser Frage nahm sich indirekt auch der Gratulationsabend im Deutschen Theater Berlin an. Geladen hatte es zusammen mit dem Audio Verlag, der eine Hörbuchfassung der „Autobiografischen Schriften“ herausgebracht hat. Passend dazu gab es zwei Lesungen, ein Podiumsgespräch und eine Überraschung. Ulrich Matthes, DT-Ensemble-Mitglied, las aus der „Ursache“; Burghart Klaußner las „Die Kälte“.

Wer hinter Bernhards Furor, den Schmerz, das Leid, den Humor, die Satzmaschine kommen möchte, ist bei den autobiografischen Schriften eine Spur richtiger als bei Bernhards anderen Werken.

Der Einstieg in „Die Ursache“ ist ein typischer Bernhard – eine Schimpftirade auf die Stadt Salzburg und ihre niederträchtigen Bewohner. Eine Auseinandersetzung mit seinem Lieblingsfeind Österreich. Im Grunde teilt sie sich nur in zwei kaum unterscheidbare Lieblingsfeinde ein, nämlich in das Nationalsozialistische und das Katholische.

Matthes las den Bericht über die Kriegsjahre erstaunlich kalt und dezent, dafür mit der richtigen Härte und Präzision. Das Auditorium im fast ausverkauften Saal hustete an den richtigen Stellen, gab sich ansonsten dem Humor hin und lauschte konzentriert. Leider vergaß jemand, sein Handy auszustellen, was Matthes zu einer unverhofften Abschlusspointe nutzte.

Klaußner dagegen setzte auf Geschwindigkeit und Verve – er las aus Bernhards frühen Jahren im Lungensanatorium – und konnte auf langer Strecke die großartige Lesung von Matthes noch überbieten.

Die Jugend fehlt

Schauspielstars lesen Schlüsseltexte vor gut unterrichtetem Publikum, das konnte eigentlich auch nur funktionieren. Was dem Auditorium im Schnitt fehlte, war die Jugend – trotzdem blieb der Grad an Feierlichkeit und Überheblichkeit sehr angenehm.

Das anschließende Gespräch mit Lektor Martin Hielscher drehte sich um zwei besondere Effekte der Bernhard’schen Schreib-Maschine: den Humor und die Musikalität. Was wiederum Klaußner dazu nutzte, ein Bernhard-Gedicht gesanglich vorzubringen. Unangenehm wurde auch das nicht. Bernhards Stil lässt sich nicht verbiegen. Und die Protagonisten des Abends waren darüber im Bilde.

Der Meister hatte einmal in einem Interview vom eigenen „Lachprogramm“ gesprochen; besonders das allzu Ernste sei ja eigentlich zum Lachen. Die zeitlichen Hintergründe seines Werks mögen verschwunden sein – an Komik und Rhythmus bleiben die Satztiraden des kantigen Österreichers unerreicht.

RENÉ HAMANN