KLONE IM YOGA
: Friede durch Kraft

Ich hasse den herabschauenden Hund

Ich bin hier genau richtig. Alle sehen so aus wie ich. Schön ist das nicht. Aber was will man machen? Vormittags um zehn geht eben nur meine Peergroup zum Yoga. Das Angebot ist maßgeschneidert für mich und meine Klone: Egal an welchem Tag um wie viel Uhr mir nach einer Übersprungshandlung zumute ist, nach der ich kein schlechtes Gewissen haben muss, fängt innerhalb der nächsten zwei Stunden ein Kurs an. Wie im Fitnessstudio muss man mit niemandem sprechen. Aber man kriegt auch geistigen Überbau zum Sport. Und die Aussicht auf ein besseres Leben. Es ist so traurig.

Bruce hat Oberarme mit dem selben Durchmesser wie sein Kopf. Bei anderen Yogalehrern hasse ich den herabschauenden Hund. Total anstrengend. Bei Bruce freue ich mich, wenn endlich der herabschauende Hund kommt. Weil alles andere noch viel anstrengender ist. Als wir im Krieger eins stehen, sehe ich, dass der Schneeregen draußen wieder angefangen hat. „Do you want to live your life in eine Ort, wo es ist dark, sad und krank?“, fragt Bruce. „Oder willst du deine Leben verbringen in a strong, bright and happy place? It’s deine Entscheidung!“ Ich bin mir sicher, dass Bruce in Wirklichkeit fließend deutsch spricht. „Beugt tiefer mit das Knie“, sagt Bruce. „Peace through power.“ Sagen die Israelis auch, denke ich, aber da schimpfen dann immer alle.

Zum Schluss liegen wir auf dem Rücken und sollen die Gedanken kommen und gehen lassen. Es klappt. Vor meinem inneren Auge spazieren die Gedanken zur einen Tür herein und verschwinden durch eine andere. Nur der Gedanke, dass die Gedanken durch die Tür verschwinden, will nicht durch die Tür verschwinden. Die Asia-Mönche von der CD wiederholen die ersten acht Töne des Pachelbel-Kanons. So weit, dass die Geige mit doppelt so schnellen Tönen einsetzt, kommt es nie. Wider besseres Wissen fühle ich mich hinterher gut. EVA SIMON