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: Sprengen und wuchern

Spike Lee: „Buffalo Soldiers ’44 – Das Wunder von St. Anna“. Mit Derek Luke, Michael Ealy u. a., ab ca. 12 Euro im Handel

Mit solch einer Erzählung besetzt man die ideologischen Positionen nie ohne Absicht

Manchmal kommt, wenn ein Romanautor nach seinem eigenen Roman noch das Drehbuch schreibt, etwas heraus wie Spike Lees „Buffalo Soldiers ’44 – Das Wunder von St. Anna“: ein (mit mehr als zweieinhalb Stunden) überlanger, in viele Richtungen auseinanderwuchernder Verhau von Figuren, Konstellationen und Episoden. Nichts an dem Film nach Vorlage von James McBride ist gänzlich uninteressant und kaum etwas wirklich gelungen. Im Zentrum, wenn man angesichts des Durcheinanders so sagen kann, steht eine Truppe von sogenannten Buffalo Soldiers – also afroamerikanischen Soldaten in Diensten der US-Armee. Sie sind im Jahr 1944 in der Toskana im Einsatz, zwischen der Wehrmacht, italienischen Partisanen und ihren Vorgesetzten der Army.

Das Regiment der Buffalo Soldiers wird in einem Großauftritt zu Beginn der Kernhandlung schnell dezimiert und versprengt und auf die für einen Erzählfilm handhabbare Truppenstärke „vier Überlebende“ gebracht. Zu den unbedingt faszinierenden Momenten des Films gehört der Soundtrack zu dieser Szene: Eine von Spike Lee in beinahe schon „Inglourious Basterds“-Manier in Szene gesetzte, Zigarette mit Mundstück rauchende, perfekt Englisch sprechende Nazischönheit spricht in Zersetzungsabsicht über Lautsprecher auf dem Schlachtfeld ein paar recht ungemütliche Wahrheiten aus: Das Regiment afroamerikanischer Soldaten werde von der rassistisch gesinnten Armee als Kanonenfutter benutzt und im Grunde verachtet. Besser begebe es sich deshalb auf kürzestem Desertionswege in die Hände der Deutschen.

Es besteht kein Zweifel, dass Spike Lee das mit der Verachtung der Weißen für die Buffalo Soldiers sehr ähnlich, wenn nicht ganz genau so sieht. Mit Christian Berkel als poesieliebendem deutschen Wehrmacht-Offizier ist ein Vertreter mehr oder minderer Anständigkeit ausgerechnet auf der Seite der Deutschen angesiedelt. Eine vergleichbare Figur aufseiten der Weißen in der US-Armee sucht man dagegen vergeblich. Über einen Verräter unter den Partisanen wiederum regte sich das italienische Publikum dieses sehr aufwendigen, an den Kassen aus vermutlich guten wie schlechten Gründen gescheiterten Films heftig auf. Unabhängig davon, ob dieses und jenes einst wirklich geschah, besetzt man mit einer solchen Erzählung die ideologischen Positionen doch nie ohne Absicht: Den Vorwurf allzu hanebüchenen Ambivalenzverzichts und propagandistischer Zurichtungen müssen sich McBride und Spike Lee deshalb durchaus gefallen lassen.

Neben mit viel Sprengmeistereinsatz inszenierten Kampfszenen im freien Feld und im toskanischen Dorf tun Drehbuch und Regie allerlei Dinge, die sie besser gelassen hätten: Ein kleiner, verletzter Junge wandert für lange Zeit durch die Geschichte, in erster Linie zum Zweck der Bindung von Zuschauersympathien. Auch hat einer der afroamerikanischen Soldaten eine Affäre mit einer anderweitig verheirateten Dorfbewohnerin. Erschütternd in der Darstellung ist ein von den Nazis angerichtetes Massaker nach einem Gottesdienst unter freiem Himmel. Allerdings schwimmt auch das wiederum etwas zusammenhanglos in der Episodenstruktur der Geschichte. Den Versuch, das Strukturlose mit einer 1983 spielenden Rache-Rahmenhandlung zu bändigen, unternehmen Spike Lee und James McBride durchaus. Geglückt ist auch das in diesem potenziell hoch interessanten, leider glücklosen Film ebenfalls nicht. EKKEHARD KNÖRER