ZWISCHEN DEN RILLEN
: Heute Disko, morgen Umsturz, übermorgen Landpartie

F.S.K. – „Freiwillige Selbstkontrolle ist eine Mode und Verzweiflung Produkt“ (Disko B/Indigo)

Die Ironie ist noch feiner geworden, sie drängt sich nicht auf

„Eine Band für die deutsche Intelligenz“ erhoffte sich Diedrich Diederichsen im Jahr 1982 anlässlich eines neuen Albums von F.S.K. – und er bekam sie.

Die englische Radio-Legende John Peel wiederum sah durch F.S.K. sein Vorurteil erschüttert, dass Deutsche keinen Humor hätten. Und Thomas Groß von der Zeit schrieb vor drei Jahren: „Statt fixer Ideen, wie das Ergebnis auszusehen hat, herrscht prozessuale Offenheit. […] Variabel in dieser Versuchsanordnung ist allein, was bei gewöhnlichen Bands die Konstante zu sein pflegt: der Stil.“ Auch Sandra Grether sagte, Klaus Walter sagte, Jutta Koether sagte, Max Dax sagte, die ganze Popkritik sagte: ja.

Und sagt: ja. Seit nunmehr 30 Jahre. F.S.K. also ist ein Monolith, singulär in seiner Größe, und – merkwürdigerweise – dennoch immer eine Art Geheimtipp, dem Fernsehen nahezu unbekannt, den Radios noch immer nicht geheuer und in den Feuilletons vor allem deshalb geliebt, damit man – Pop-Nerd, der man ist – seinen Distinktionsvorteil zeigen kann, sein Mehr an kulturellem Kapital. Dabei sind die Konzerte oft ausverkauft.

Thomas Meinecke wird zudem als Autor landauf, landab gerühmt, Michaela Melián als bildende Künstlerin, Wilfried Petzi als Fotograf, Justin Hoffmann leitet den Kunstverein Wolfsburg. Welche Instrumente sie spielen, soll hier unerwähnt bleiben, denn in diesem Quartett wird das Instrument gewechselt, ebenso wie die Songbauweise, nur dass mächtig gebaut wird, ist klar. Die Stücke sind aus immer neuen Modulen zusammengesetzt, F.S.K. ist eine Kunststudenten-Band, die jedoch Groove hat, und längst nicht mehr repräsentieren muss, sondern für sich selbst steht.

Ein auf sich selbst verweisendes Zeichen aus lauter Zeichen. Und dabei Pop. Das ist selten. Vor 16 Jahren stellte die Band bereits einmal ihre Stücke zusammen zu einem „Best-of“, es waren allerdings nur die Jahre „Chez Alfred“, bei Alfred Hilsberg also und seinem ZickZack-Label, das bis heute nicht zu dem Ruhm gekommen ist, der ihm gebührt. Die Jahre 1980 bis 1989, goldene Zeiten, als Deutschland noch zwei Länder war und Trash-Humor noch unschuldig. Auf dieser Compilation fanden sich kleine böse Agit-Songs, rumplige Coverversionen und schließlich auch die amerikanisch-bajuwarischen Missverständnisse, mit denen sich F.S.K. über ihre Herkunftsländer lustig machten, über das eine, das im Ausweis steht, und das andere, das die Populärmusik geprägt hat.

Nun legen F.S.K. eine neue Sammlung von Stücken vor, drei CDs zum 30. Geburtstag, mit dem schönen Namen „Freiwillige Selbstkontrolle ist eine Mode und Verzweiflung Produkt“, und einige der älteren Stücke von der „Bei Alfred“-Compilation haben es auch in diese Sammlung geschafft – die immerhin 51 Stücke umfasst.

Doch der Fokus liegt woanders und zeigt deutlich eine Entwicklung – F.S.K. sind eine bessere Band geworden über die Jahre, musikalisch, und die Ausflüge in die elektronische Musik, dort unter anderem in den House, haben ihr nicht geschadet, im Gegenteil. Auch hat sich die Textarbeit verändert – die Ironie, der Witz der Intellektuellen, ist noch feiner geworden, und nicht mehr aufdringlich. Das Zitat ist ein Zitat, immer noch, doch es ist zurückgetreten in den Song hinein, ist Teil des Songs, muss sein Wesen nicht mehr betonen. Wenn man so will, kann man also sagen, F.S.K. sind endgültig Klassiker geworden, hier kommt die Werkausgabe, Deckel drauf, ab in die Sammlung.

Doch genau das will man ja nicht sagen. In Mode & Verzweiflung, der von Meinecke einst mitherausgegebenen Zeitschrift, hieß es 1981: „Heute Disco, morgen Umsturz, übermorgen Landpartie. Dies nennen wir Freiwillige Selbstkontrolle.“ Das ist, wenn man so will, nicht das Motto der Band – am Umsturz wird gerade eher nicht gearbeitet –, wohl aber das Motto der neuen CD-Box. Ein gutes Motto.

JÖRG SUNDERMEIER