Richtig gut gestylt

50. JAHRESTAG DES MAUERBAUS Die DHM-Reihe „Celluloid Curtain“ mit Geschichten aus dem Kalten Krieg

Gut und Böse werden grandios tendenziös ausgewalzt

Ach soooo: In Berlin wurde die Mauer errichtet, weil die USA und ihr „Nachrichtendienst“ MID in die DDR invadieren wollten! Zum Glück schaffte es jedoch ein findiger Doppelagent, die Pläne der kapitalistischen Besatzer zu entwenden und den Arbeiter- und Bauernstaat rechtzeitig zu warnen. Und Hansen, der in dem 1963 entstandenen DDR-Agentenfilm „For eyes only“ offiziell für eine als Import-Export-Handelsgesellschaft getarnte US-Geheimdienststelle arbeitet, ist in Wirklichkeit der staatstreue Genosse Lorenz, dessen Herz selbstredend weiterhin für die sozialistische Sache und seinen tapferen Sohn schlägt, der schon seit Jahren traurig denkt, Papi habe rübergemacht.

Von allen Commie- oder Amifreundlichen Werken zum kalten Krieg, die das Deutsche Historische Museum für seine noch bis Ende Juni laufenden Filmreihe „Celluloid Curtain“ zum 50. Jahrestag des Mauerbaus kuratiert hat, bringt es der amüsante Propagandafilm „For eyes only“ am besten auf den Punkt. Gut und Böse werden grandios tendenziös ausgewalzt: auf der einen Seite natürlich die hinterhältigen Amerikaner mit ihren psychologischen, militärischen und gesellschaftlichen Zersetzungsplänen, die ständig „Glory glory halleluja“ singen oder pfeifen, auf der anderen Seite das wackere MfS, dem am Ende sogar gleich zwei gute Spione in die Hände spielen.

Zeittypisch dekoriert mit hübschen Mädchen wie Eva-Maria Hagen als Sekretärin und gespickt mit trockenen, abgehangenen Gauner-Einzeilern wie „Ich hab was für dich“ – „Spuck aus“ oder „Hartmann sitzt. Schuck sollte ihn umdrehen. Negativ“ gibt das Stasi-Spitzeldrama immerhin tatsächlich einen erstaunlich großen Einblick in die Arbeitswelt der IMs, inklusive Lügendetektortest und cleveren Observierungstipps und -tricks.

Und die damalige Propagandamaschine dahinter ist nicht minder beeindruckend: Angeblich basiert die Geschichte von Hansens Coup (er klaute gleich einen ganzen Kühlschrank, in dem die Geheimdokumente versteckt waren) auf der wahren Begebenheit vom tatsächlich existierenden Agenten Horst Hesse, der 1956 zwei Panzerschränke voller Dateien und Namen aus der MID-Zentrale mitgehen ließ. Nur die Angriffspläne, die den Bau der Mauer rechtfertigen sollten, wurden darin nicht gefunden. Dies alles zeigt Gunter Scholz’ 2009 gedrehte Dokumentation „For eyes only – Ein Film und seine Geschichte“.

Und während die vielen Agenten, die sich in der 1964 entstandenen Agentenparodie „Les Barbouzes“ um die Patente und die reizende Witwe eines soeben verstorbenen internationalen Waffenhändlers bemühen, zu mit Spy-Gadgets hantierenden Comicmännchen mutieren, ist die Bitterkeit des John-le-Carré-Klassikers „Der Spion, der aus der Kälte kam“ kaum zu überbieten. Hier sind die Mächte nicht mehr gut oder böse, sondern auswechselbar und verwirrend. Hier arbeitet ein Jude (überwältigend gespielt von Oskar Werner, er bekam dafür einen Golden Globe) für einen ehemaligen Hitlerjungen, und wem die Hauptfigur Alec Leames, für dessen Darstellung Richard Burton 1966 für einen Oscar nominiert war, noch trauen kann, ändert sich minütlich. Am Ende werden er und seine Geliebte, die Kommunistin Nan, zu Mauertoten und nehmen damit die tragische, bis heute umstrittene Bilanz von knapp 200 Opfern vorweg.

Ebenfalls in Berlin, aber in einer Carnaby-Street-Verkleidung, spielt der schwarz-weiße bulgarische Trashfilm „There is nothing finer than bad weather“ von 1971, in dem ein smarter Superagent einen Spionagering aushebeln möchte und dabei ständig auf Beatparties und Hippie-Happenings landet, auf denen bärtige Kettenträger mit niedlichem Akzent „Julieee Driscolll!!“ schreien und dann exaltiert zu „Indian Rope Man“ ausdrucktanzen. Seine hübsche Assistentin holt derweil statt dem Courreges das Emilio-Pucci-Ensemble aus dem Schrank, und auch wenn das Ende in gewisser Weise an Martin Ritts John-le-Carré-Adaption erinnert, präsentiert der Rest hier einfach nur gute Laune in einer üblen Gegend, dem Kalten Krieg eben. Aber es ist doch wunderbar, ihn zur Abwechslung mal richtig gut gestylt zu sehen. JENNI ZYLKA

■ The Celluloid Curtain – Europe’s cold war in film, noch bis 22. 6. Programm: www.dhm.de