Kein Sieg ohne die befreiten Sklaven

ERINNERUNG In Amerika würdigt ein neues Museum für den Civil War die afroamerikanischen Kämpfer

Mindestens 209.145 Afroamerikaner haben im Bürgerkrieg unter der Fahne der Union gekämpft. Mindestens 36.000 von ihnen haben in jenen vier blutigsten Jahren der US-Geschichte ihr Leben verloren. Viele waren zuvor das „Eigentum“ von Plantagenbesitzern in den Südstaaten gewesen. Ab 1861 ging es für sie um mehr als die Wiedervereinigung von Nord und Süd. Es war der Krieg gegen die Sklaverei. Ihr Krieg.

„Ohne die Hilfe der schwarzen Befreiten hätten wir den Krieg gegen den Süden nicht gewinnen können“, hat Präsident Abraham Lincoln einmal gesagt. Doch nach der Euphorie der Aufbruchjahre, die auf die Abschaffung der Sklaverei folgten, legte sich ein Bleideckel über die „Negro-Soldiers“. Anfang des 20. Jahrhunderts sorgten „black codes“ vielerorts erneut für die Verdrängung der AfroamerikanerInnen: mit der Abschaffung des Wahlrechts, mit Ausgangssperren, mit Schulverboten und mit der Auflösung der „colored units“ in vielen Militäreinheiten. Zugleich breitete sich der weiße Terror gegen die schwarze Bevölkerung aus.

150 Jahre nach Beginn des Bürgerkrieges eröffnet heute im Nordwesten von Washington ein Museum, das die afroamerikanischen KämpferInnen würdigt. Zeitgenössische Fotos, Rekrutierungsposter und Texte erzählen eine Geschichte bis zur Bürgerrechtsbewegung ein Jahrhundert später.

Das African American Civil War Museum befindet sich auf dem Gelände von Camp Barker, das im Bürgerkrieg eine Zufluchtstätte für flüchtige Sklaven war. In den Straßen rund um das Lager entstanden nach dem Bürgerkrieg Blues- und Jazzclubs, Theater und die Howard-Universität. Es wurde ein kulturelles und intellektuelles Zentrum des schwarzen Amerikas.

Der Politologe Hari Jones hat bereits in dem winzigen Ausstellungsraum gearbeitet, in dem seit dem Jahr 1999 ein paar Schautafeln über afroamerikanische Soldaten im Bürgerkrieg standen. In den vergangenen Monaten hat er den Aufbau des neuen, größeren Museums organisiert. Im Verhältnis zu den repräsentativen Museen in der Innenstadt ist es immer noch klein. Aber es belegt jetzt eine ehemalige Schulturnhalle. Ein großer Teil der Finanzen kommt von der Stadt Washington. Es ist das einzige Museum in den USA, das sich ausschließlich mit den afroamerikanischen Soldaten im Bürgerkrieg befasst. Jones nennt sie „eines der bestgehüteten Geheimnisse der amerikanischen Geschichte“.

In den Schulen und Universitäten hat dieses Stück US-Geschichte lange überhaupt nicht stattgefunden. „Es galt die Regel, die Negroes hätten so gut wie nichts unternommen, um sich selbst zu befreien“, sagt Jones. Lediglich in schwarzen Familien wurde die Erinnerung weitergegeben.

Das gilt auch für den heute 52-jährigen Jones. Ihm erzählte die Oma von seinem Ururgroßvater Ed Whitfield, der im 3rd Regiment of the U.S. Colored Cavalry gekämpft hat. Sein Name ist – zusammen mit den anderen bislang bekannten afroamerikanischen Bürgerkriegssoldaten – in Gedenkplatten eingeprägt, die auf dem Platz vor dem Museum stehen.

Das Schweigen brechen

Am Vorabend des Bürgerkrieges lebten 4,5 Millionen AfroamerikanerInnen in den USA. Davon hatten lediglich 500.000 gewisse – und je nach Bundesstaat unterschiedliche – Rechte. Alle anderen waren SklavInnen. In den Jahren vor Kriegsbeginn hatten AktivistInnen das Netzwerk Underground Railroad gegründet, das flüchtige SklavInnen in den Norden brachte. Hatten klandestine militärische Schulungen und Milizien für den erwarteten Bürgerkrieg organisiert. Und hatten gegen ein Gesetz gekämpft, das auch in jenen Bundesstaaten galt, wo es keine Sklaverei gab: Wer flüchtigen SklavInnen hilft, macht sich strafbar.

Kurator Jones hofft, dass die Veranstaltungen zum 150. Jahrestag des Bürgerkriegs, die in diesem Frühling begonnen haben und bis 2015 weitergehen, helfen werden, das Schweigen zu brechen. „Wenn diese vier Jahre zu Ende sind“, sagt er, „wird die Rolle der afroamerikanischen Soldaten im öffentlichen Bewusstsein der USA angekommen sein. Sie sind ein wichtiges Stück in dem großen Puzzle Amerika.“

DOROTHEA HAHN