SMARTPHONES
: Kampfansagen

Namen von WLAN-Netzen sagen sehr viel über die Menschen

Abends sitzen wir draußen an der Spree – wenn man schon mal draußen sitzen kann in diesem Sommer – und trinken. Seit hundert Jahren habe ich nicht so viel durcheinander getrunken. Bier, White Russian, Jägermeister und Glühwein aus ’ner Thermoskanne. Wobei der Glühwein eine Spezialmischung von Sophie ist: eine Flasche Fertigglühwein mit einem Drittel Rum dazu, zur Verfeinerung. Eine flüssige Kampfansage an den verfluchten Sommer. Es ist so ein Sommer, bei dem nie die Smalltalkthemen ausgehen, weil man immer über das herzlose Wetter reden kann.

Wir reden aber nicht über das Wetter, wir reden, noch schlimmer, über Smartphones. Seit ich ein Smartphone habe, ist es eines meiner Hobbys, Namen von WLAN-Netzen zu erforschen. Das sagt sehr viel über die Menschen. Viele sind sehr langweilig. W-LAN6577x, Arbeitszimmer2 oder Fritzbox9475. Andere haben eine Botschaft: „Pornos für alle“ und wieder andere sind so etwas wie Kosenamen für Netzwerke: „Ponyhof“ oder „Netzschnecke“. Ich überlege dann, was für Leute hinter diesen Namen stecken, und meistens kommt nichts Gutes dabei heraus. Jemand sagt, das sage wiederum ziemlich viel über mich.

Manchmal fotografiere ich heimlich Leute mit dem Smartphone, also zum Beispiel in der U-Bahn oder an der Supermarktkasse. Ich tu so, als ob ich tippe, aber in echt mach ich Fotos. Und manchmal schreibe ich sogar Kolumnen auf dem Smartphone. Das hat etwas Meditatives, ich denke dann über jedes Wort doppelt nach, weil es sich halt doch nicht so schnell tippt wie auf einer richtigen Tastatur. Manchmal lösche ich die Kolumnen aus Versehen, weil ich mit dem Handy doch nicht so gut klarkomme wie mit dem Computer. Nur meine Wetter-App, die hab ich schon komplett durchschaut, die zeigt nämlich einfach immer was Falsches an. Ihre Art von Kampfansage an den Sommer. MARGARETE STOKOWSKI