Aus freien Stücken

HORRORFILM Ein Frankfurter Gericht hat die Beschlagnahme von Tobe Hoopers Klassiker „Texas Chainsaw Massacre“ aufgehoben

VON THOMAS GROH

Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer in den filmaffinen Teilen des Internets: „Mit Wirkung zum 06. 09. 2011 hat das Landgericht Frankfurt a. M. die allgemeine Beschlagnahme von ‚Texas Chainsaw Massacre‘ aufgehoben“, meldete das Online-Magazin schnittberichte.com. Hinter dem nüchternen Duktus steckt eine kleine Sensation.

Tobe Hoopers 1974 entstandener, genre- und stilprägender Film, der sich mit Hitchcocks „Psycho“ die Taten des Serienkillers Ed Gein als Inspirationsquelle teilt, wurde 1985, nach einer bereits 1982 erfolgten Indizierung durch die Bundesprüfstelle, vom Landgericht München nach §131 StGB (Gewaltverherrlichung/-verharmlosung) bundesweit beschlagnahmt. Im Gegensatz zu indizierten Titeln, die zwar empfindlichen Vertriebseinschränkungen unterliegen, aber nicht generell verboten sind, kann die Distribution beschlagnahmter Titel enorme strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Die Remakes sind brutaler

Rund 130 Filme sind auf diese Weise aus dem Verkehr gezogen, zum Großteil Splatterfilme aus der Heimvideowelle der 80er Jahre. Schon aus tricktechnischen Gründen sind die meisten davon für heutige Sehgewohnheiten schnell als Budenzauber durchschaut. Kurioses Resultat: Während die Remakes der Splatterklassiker einander in den letzten Jahren an Zeigefreudigkeit überbieten und dabei von staatlichen Eingriffen kaum behelligt werden, droht beim Vertrieb der Originale eine Haftstrafe.

Absurd wird es im Fall von „Texas Chainsaw Massacre“ nicht nur, da der Film, neben den ebenso beschlagnahmten „Dawn of the Dead“ und „Evil Dead“, als Klassiker des Horrorfilms längst cinephil kanonisiert ist, sondern auch, weil man ihm Gewaltverherrlichung oder gar -verharmlosung sehenden Auges nur schwerlich vorwerfen kann.

So sieht das wohl auch die Bundesprüfstelle mittlerweile, wie Christian Bartsch von Turbine Medien im Onlineforum der DVD-Firma durchblicken ließ. Das Label hatte vor drei Jahren die Rechte an dem Film mit dem Ziel erworben, ihn aus dem Giftschrank der Justiz zu holen. Allein, die Situation war verkantet: Die Beschlagnahme verunmöglicht einen Antrag auf die für eine FSK-Neuprüfung nötige Streichung vom Index. Erst ein weiterer Gerichtsbeschluss zugunsten des DVD-Labels gestatte das weitere Vorgehen.

Eine neuerliche Beschlagnahmung durch das AG Frankfurt bot 2010 dafür die Grundlage. Die nächste Instanz folgte dem filmanalytischen Gutachten von Dr. Roland Seim und Prof. Oliver Jahraus – einer der berüchtigsten „Video Nasties“ ist damit der Legalität einen Schritt näher gerückt. Und selbst wer keinen Wert darauf legt, einen Film wie „Texas Chainsaw Massacre“ zu sehen, kann dies nun immerhin aus freien Stücken tun.