iPhone aus der Antike

BERLINER NATIONALGALERIE Dem 31-jährigen Cyprien Gaillard wird der Preis für junge Kunst verliehen

Politisch bewusst. Philosophisch inspiriert. So wünscht sich der Kunstbetrieb ganz offenbar seinen Nachwuchs. Anders kann man die Entscheidung einer Jury kaum deuten, dem französischen Künstler Cyprien Gaillard in diesem Jahr den Preis der Berliner Nationalgalerie für junge Kunst zuzuerkennen.

Denn das Werk, mit dem er es erst unter die vier Finalisten des Wettbewerbs und dann am Mittwochabend im Hamburger Bahnhof an seine Spitze schaffte, ist beides. Die mit dem iPhone gemachten Bilder aus der antiken Stadt Babylon, vom Ischtar-Tor des Berliner Pergamon-Museums oder dem Palast von Saddam Hussein demonstrieren durchaus, wie „das Politische und das Kulturelle untrennbar verbunden sind“. So begründete die zweite Jury aus Bice Curiger, in diesem Jahr Kuratorin der Venedig-Biennale, Ann Goldstein vom Stedelijk Museum in Amsterdam, Udo Kittelmann, dem Direktor der Berliner Nationalgalerie, und Bartomeu Marí i Ribas vom MACBA-Museum in Barcelona ihr Votum für den „Artefacts“ betitelten Streifen des 31-jährigen Franzosen.

So wie er den Film ins analoge Format rückübersetzt hat und als sich selbst verschleißenden Endlosloop ablaufen lässt, dem David Grays Popsong „Babylon“ unterlegt ist, wird aber auch das Vergängliche von Kultur, ihre Diffusion ins Populäre, schon materialästhetisch sinnfällig. Mit der neuerlichen Variation seines Grundthemas läuft Gaillard zwar Gefahr, eine Masche zu kreieren. Seine komplexe Arbeit setzte sich aber zu Recht gegen die Mitbewerber Kitty Kraus, Klara Liden und Andro Wekua durch.

Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) lobte bei der Gala das „klare Bekenntnis zur Kunst der Gegenwart“ der Preismäzene. Dass in diesem Jahr noch dadurch unterstrichen wurde, dass erstmals ein Preis für junge Filmkunst vergeben wurde: Die Präsidenten der Deutschen Film-Akademie, Iris Berben und Bruno Ganz, ehrten Theo Solniks Film „Anna Pavlova lebt in Berlin“.

Wenig Öffentlichkeit

Doch wenn der Preis, der mit 50.000 Euro zwar Deutschlands bestdotierte, aber immer noch unbekannteste Kunstauszeichnung ist, der Gegenwartskunst eine Bresche schlagen will, könnten seine Stifter mehr Willen zur Öffentlichkeit demonstrieren.

Die finale Kür fand nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Geladen waren nur Mitglieder und Gäste des Vereins der Freunde der Nationalgalerie und des Sponsors BMW. Wahrscheinlich hatte nicht viel verpasst, wer der von Jasmin Tabatabai moderierten Gala nicht bewohnen durfte. Das „Glanzlicht der Kunstmetropole“ (Bernd Neumann) strahlte da jedenfalls nur in einem Closed Shop. INGO AREND