So malerisch kann Schrott sein

KUNST Danilo Dueñas, Gast des DAAD aus Kolumbien, arbeitet mit Fundstücken. Sei es Altmetall, das er beim S-Bahn-Fahren entdeckt, seien es Werke anderer Künstler, die zu ihm sprechen

Alles wirkt beiläufig, dabei hat Dueñas’ rationales Experimentieren zu dieser Leichtigkeit geführt

VON JULIA GWENDOLYN SCHNEIDER

Es sind tatsächlich Altmetallhaufen, die den Großteil der Installation von Danilo Dueñas in der daadgalerie ausmachen, auch wenn sie kaum wie Schrott wirken. Die Rauheit der zerbeulten und verbogenen Aluminiumstücke tritt hinter deren organische Anordnung und monochrom weiße, teils silbrig glänzende Farbigkeit fast gänzlich zurück. Sie faszinieren durch eine überraschend malerische Qualität.

Die unterschiedlich großen Stöße, mit denen Dueñas einen Parcours entlang der Galeriewände gelegt hat, sind aber nur für die Zeit der Ausstellung „zum Leben erweckt worden“, jenseits des Kunstkontextes werden sie eingeschmolzen und in den Warenkreislauf zurückgeführt. „Da mutieren sie endlos vor sich hin, in einem unaufhaltsamen Prozess, der uns wenig lehrt, weil wir die Dinge so nicht anders sehen können.“ Das aber möchte Dueñas mit seiner Kunst erreichen.

Im Gespräch wird schnell deutlich, dass er eine besondere Vorliebe für Alltagsmaterialien hat. Ausrangierte Möbel, Sperrholz oder Autoreifen werden Teil seiner raumgreifender Skulpturen. 2001 befestigte er Schubladen untereinander an einer Wand, die wie die Blöcke der berühmten Donald-Judd-Skulpturen aussahen. Nur besaßen seine Objekte mit Gebrauchsspuren persönliche Qualitäten, die nicht hätten gegensätzlicher sein können zu den glatten Volumen des geschätzten Minimalisten.

Zehn Tonnen Aluminium

Auf das Altmetall stieß der kolumbianische Künstler, der zurzeit Stipendiat des Berliner Künstlerprogramms ist, rein zufällig. „Als ich in der S-Bahn auf dem Weg zu meinem Atelier war, sah ich einen glänzenden Berg, der zog mich wie ein Schatz an.“ Er erblickte die Spitzen der aufgetürmten Schrotthaufen auf dem Gelände der TSR, einer Recyclinganlage im Berliner Westhafen. Daraus wollte er ein Kunstwerk machen. Neben den großräumigen Assamblagen aus zehn Tonnen Aluminiumschrott zeigt Dueñas nun auch einige Objets trouvés, die er wie Skulpturen auf Sockeln präsentiert. Stellenweise demonstrativ mit rotem Klebeband umwickelt, wirken sie zerbrechlich und schutzbedürftig – dabei dient das dicke Band vor allem der Befestigung der ausladenden Objekte. Eine der Schrottskulpturen ist umgekippt, andere lehnen aneinander, als müssten sie sich gegenseitig stützen. Der Anblick erinnert an halb zerfallene Büsten auf einem Friedhof. Das alles wirkt zufällig und beiläufig, dabei hat letztlich Dueñas’ rationales Experimentieren zu dieser Leichtigkeit geführt.

Auf zwei weiteren Sockeln befindet sich ein schwarz glänzender Balken, der posiert wie eine geschlossene Schranke vor dem größten der aufgetürmten Schrotthaufen. Wieder handelt es sich für Dueñas um so etwas wie einen Schatz. Er bezieht sich damit auf „It Is Here“ (1997), eine Arbeit von John McCracken, die er bei seinem ersten Besuch im Museum Hamburger Bahnhof entdeckte. An diese großflächige Skulptur mit ihrer spiegelnden, monochromen Farbigkeit ist ihm eine mutige Hommage gelungen. Sosehr sein Werk auf den ersten Blick der mysteriösen Oberfläche von „It Is Here“ gleichen mag, weicht es doch radikal von dieser ab. McCrakens Arbeit ist waagerecht an der Wand angebracht, Dueñas’ Version kann dagegen umgangen werden.

Wie neckisch er trotz aller Huldigung mit McCrakens Farbskulptur umgeht, zeigt sich beim Anblick der hölzernen Rückseite, die gänzlich unerwartet mit der glänzenden Oberfläche bricht. „Vielleicht“, überlegt Dueñas, „ist das so etwas wie eine Anspielung auf meinen lateinamerikanischen Hintergrund, das Holz hat viel mit meinen bisherigen Arbeiten zu tun.“ So bringt er eine persönliche Komponente in den auratischen Glanz der Planke.

Neben aller Begeisterung für Farben und formale Strukturen, die die konstruktivistische Handschrift des Künstlers ausmachen, hat seine Kunst auch etwas mit dem Leben selbst zu tun. Wenn er etwa Holz so sehr schätzt, liegt das für ihn an der Wärme und Menschlichkeit, die dieses Material ausstrahlt. Ferner lässt sich ein Bezug zum Leben an drei Texten von Harold Pinter ablesen, die Dueñas als weitere Bestandteile seiner Installation ausgewählt hat. Der eine ist ein Liebesgedicht von 1990, das sich auch „It Is Here“ nennt. Und auf einmal erhält McCrakens immateriell glänzende Minimalskulptur nicht nur einen wärmenden Holzrücken, sondern auch ein narratives Element, das sie direkt an das Leben zurückkoppelt.

■ Bis 26. November. „Danilo Dueñas. At Actium And a Tribute to John McCracken“. daadgalerie, Zimmerstr. 90/91, Mo.–Sa. 11–18 Uhr