VEGANER-AGITPROP
: Die Schlachtung

Lyoner, Blutwurst, Leberwurst, Bierwurst, das ganze Programm

Jeder soll nach seiner Fasson glücklich werden. Ich lass die anderen in Ruhe, sie lassen mich in Ruhe. So hab ich es gern. Wenn mir andere etwas aufzwingen wollen, werd ich ungehalten. Die Veganer zum Beispiel. Die gehen mir mit ihrem schrecklich intoleranten Agitprop ganz schön auf den Keks.

Neulich stolperte ich auf dem Weg zur U-Bahn am Frankfurter Tor über einen Appell, mit blauer Kreide auf den Gehweg geschrieben, direkt neben einer McDonald’s-Filiale. Ab und an wehte Verpackungspapier über einen Buchstaben. Doch die Botschaft war deutlich zu lesen: „Fleisch ist Mord. Lebt vegan!“ Gegen die Bulettenbrater zu Feld zu ziehen, das finde ich in Ordnung. Doch auch wenn ich dort kein Stammkunde bin, will ich Fleisch essen, wie ich lustig bin.

Wenige Tage bevor ich an dem veganen Aufruf vorbeigestolpert bin, hatte ich dort einen schweren Koffer über den Gehweg gezogen. Hinter mir lag ein Monat im Hochschwarzwald. Der Koffer war so schwer, weil ich etwa ein Dutzend Sorten Hausmacher Wurst von der Bauersfamilie mitgebracht hatte, bei der ich auf dem Hof gewohnt habe. Lyoner, Blutwurst, Leberwurst, grobe Bauernwurst, Bierwurst, Schwartenmagen, das ganze Programm. Ich habe zu diesen Wurstwaren ein geradezu persönliches Verhältnis. Denn ich war bei der Schlachtung der Kuh dabei. Ich kann den kurzen Transportweg zwischen Stall und Schlachthaus bestätigen, auch dass der Fleischer das Bolzenschussgerät fachmännisch betätigt hat. Zwei Büchsen habe ich schon mit größtem Genuss verspeist.

Neben den Wurstwaren habe ich das Geweih eines Rehbockes aus dem Schwarzwald mitgebracht. Als Dank für meine Dienste als Treiber bei einer Drückjagd. Alle Gehsteige der Welt könnten mit veganen Appellen beschrieben sein, ich würde nicht einmal im Traum daran denken, kein Fleisch mehr zu essen. BARBARA BOLLWAHN