„Ich genieße Berlin, so wie es ist“

NEUE KNEIPE Barry Burns von der Band Mogwai eröffnet eine Kneipe in Neukölln. Die richtige Musik ist für ihn spielentscheidend: So kann er sein schottisches Bier endlich auch mal ohne Minimal Techno trinken

■ Barry Burns spielt Gitarre und Keyboards bei der 1995 in Glasgow gegründeten Band Mogwai, die mit ihren epischen Instrumentals Genres wie Postrock, Math-Rock, aber auch die moderne Variante des Art-Rock entscheidend prägte. Seit September 2009 lebt der 35-jährige Schotte in Berlin. Nun eröffnet er zusammen mit seiner Frau Rachel und den beiden Künstlern Phil Collins und Sinisa Mitrovic die Kneipe „Das Gift“ in der Neuköllner Donaustraße, Ecke Weichselstraße. (to)

INTERVIEW THOMAS WINKLER

taz: Herr Burns, Sie spielen bei Mogwai, leben seit mehr als einem Jahr in Berlin und eröffnen nun ihre eigene Bar „Das Gift“. Gibt es nicht schon genug Kneipen in Berlin?

Barry Burns: Doch, sogar viele sehr gute. Nur scheint in denen gerade die Musik, die uns gefällt, nicht zu laufen. Ich mag einige Bars wirklich, sie sind gemütlich, aber dann läuft die ganze Zeit Minimal Techno. Aber ich gebe es zu: Es ist ziemlich selbstsüchtig, eine Bar aufzumachen, nur weil man den eigenen Musikgeschmack für so großartig hält.

Ist die Musik, die in einer Bar läuft, so wichtig?

Ja, finde ich schon. Klar gibt es bei uns schottisches Bier und eine Auswahl schottischer Whiskeys, es gibt sogar Salt-&-Vinegar-Chips – köstlich, die liebe ich. Aber auch in Glasgow sind wir hauptsächlich dann in eine Kneipe gegangen, wenn die Musikauswahl in der Jukebox was getaugt hat.

Wo ist denn die Jukebox?

Haben wir noch nicht. Die sind so wahnsinnig teuer. Aber wenn wir uns eine leisten können, legen wir uns sofort eine zu.

Viel scheinen Sie eh nicht in die Einrichtung investiert zu haben.

Nein, an der Kneipe selbst haben wir kaum was verändert. Für „Das Gift“ haben wir den größten Teil der Einrichtung einfach behalten, die Theke ist immer noch dieselbe wie im alten Donau-Eck.

So hieß die Kneipe früher?

Ja, eine klassische Berliner Eckkneipe, Mallorca-Partys inklusive. Das Ding war so dreckig, wir haben Tage nur fürs Saubermachen gebraucht.

Wird dann den ganzen Abend lang Mogwai laufen? Ist die Musik ihrer Band gute Musik zum Trinken?

Ist sie das? Ich glaube nicht. Ich befürchte, unsere Musik würde die Leute eher dazu bringen, sich zu verpissen!

Mogwai gelten als extrem einflussreich, waren kommerziell aber nie sonderlich erfolgreich. Wenn Sie wählen könnten, was wäre ihnen lieber: Der Ruhm oder das Geld?

Dann doch lieber der Ruhm! Das ist nichts, worüber ich ständig nachdenke, aber es ist schon toll, wenn man Menschen inspiriert hat, selber Musik zu machen. Je mehr Musiker es gibt, desto besser. Der Einfluss ist mir jedenfalls lieber als genug Geld, um einen Porsche kaufen zu können. Wer braucht denn so was? Es ist doch großartig, wenn man leben kann von der Musik, die man machen will, und außerdem noch eine Bar in Neukölln eröffnen kann.

In Kreuzkölln.

Nein, hier ist doch nicht Kreuzkölln, hier ist nur Nord-Neukölln.

Ich befürchte, Sie sind Teil der Gentrifizierung von Berlin.

Ach? Scheiße!

Hat Berlin nicht sowieso die coolsten Zeiten schon hinter sich?

Das ist es, was mir viele Leute erzählen: Du hast das Beste verpasst, damals vor zehn, fünfzehn Jahren war es wirklich aufregend. Aber was soll ich machen? Ich genieße Berlin, so wie es ist. Berlin ist immer noch ein ziemlich durchgeknallter Ort. Und so billig. Es ist auf jeden Fall besser als Glasgow im Moment.

Vermissen Sie Glasgow schon?

Eigentlich nicht. Das Bier und die Chips hab ich ja jetzt hier. Ansonsten vermisse ich natürlich ein paar Freunde. Und die Sprache, die ist schon sehr lustig. Ich versuche zwar Deutsch zu lernen, ich versteh auch schon einiges, aber die Witze entgehen mir noch.

Und den Fußball vermissen sie nicht?

Nein, gar nicht. Ich bin eher ein Fan des FC St. Pauli als ein Fan von Celtic Glasgow. Und die Rangers sind sowieso das Böse – der schlimmste Fußballverein der Welt. Für die kann man als normaler Mensch gar nicht sein. Deren Fans heißen bei uns in Glasgow nur die Orks – weil sie so aussehen. Nein, da geh ich lieber zu St. Pauli. Ich war aber erst einmal im Stadion in Hamburg. Und ein zweites Mal hab ich St. Pauli gesehen, als sie hier gegen Union gespielt haben – leider haben wir verloren. Aber Union ist auch toll: Schon allein dass die Fans das eigene Stadion renoviert haben.

Zurück zu ihrer Kneipe: Was haben eine Band und eine Bar gemeinsam?

Man hat in beiden Fällen viel zu tun mit Alkohol und schlechtem Benehmen. Aber im Ernst: Eine Bar ist eine viel größere Verantwortung, viel mehr Stress. Eine Band, das ist einfach. Ein paar Freunde, die zusammen Musik machen.

Früher haben wir eigentlich die meiste Zeit über Fußball gequatscht, anstatt Musik zu machen

Diese Freunde leben jetzt aber zum Teil weit entfernt voneinander. Sie leben in Berlin, Paul war zwei Jahre in New York. Wie hält man da eine Band am Leben?

Es ist tatsächlich so: Ohne das Internet wäre die Arbeit mit Mogwai eine Katastrophe. Aber heutzutage existieren Entfernungen eigentlich nicht mehr. Wir schicken einfach MP3s hin und her. Das einzige Problem sind die Proben, weil ich jedes mal fast einen Tag brauche, um nach Glasgow zu kommen – und dann habe ich noch einen Jetlag.

Hat sich auch die Musik verändert durch die veränderte Arbeitsweise?

Wir arbeiten heute konzentrierter, wenn wir uns mal treffen. Früher haben wir eigentlich die meiste Zeit über Fußball gequatscht, anstatt Musik zu machen.

Sie haben mal gesagt, das einzige Ziel von Mogwai wäre es, die lauteste Band des Welt zu werden.

Ach, ich habs mir anders überlegt. Das war wohl ein George W., den ich mir da geleistet habe. Außerdem sind Motörhead ja schon die lauteste Band der Welt.

Ihr Bandkollege Stuart Braithwaite wiederum hat über die Musik von Mogwai mal gesagt, sie wäre „brutal ernsthaft“.

Haha!

Sie sind also anderer Meinung?

Nein, das stimmt schon. Die Musik ist so ziemlich das Einzige an der Band, das wir ernst nehmen. Unsere Musik kennt keine Ironie, keinen Humor. Aber alles andere: Die Songtitel sind uns völlig egal, unsere Außendarstellung. Wir erzählen gerne Lügen in Interviews – außer heute natürlich!