Der Monarch zetert

FRIEDRICH DER GROSSE Vom Gedenken und der Leichenfledderei: das böse Vexierspiel „Fritz!“ am Potsdamer Hans Otto Theater

Gut gebaute junge Männer mimen hechelnd Friedrichs geliebte Windspiele

VON ESTHER SLEVOGT

Der Anfang ist stark. Aus dem Schwarz einer weiten Bühne taucht eine laszive Figur mit Dreispitz und schwarz-glänzender Abendrobe auf. Sie haucht bald „Happy Birthday to me!“ vorn in ein Standmikrofon: ein historischer Homunkulus, halb Friedrich der Große, halb Marlene Dietrich, in deren schnodderig-herrischen Tonfall die Schauspielerin Rita Feldmeier immer wieder verfällt. Was an einem Abend wie diesem auch durchaus Sinn macht. Hat schließlich Marlene Dietrich (die eine Offizierstochter war) den preußisch-militärischen Geist erotisiert und ins Showbiz transportiert. Dessen größte Ikone war Friedrich der Große und dem ist dieser Abend am Potsdamer Hans Otto Theater gewidmet.

„Wenn ich könnte, würde ich kotzen,“ giftet Friedrich/Dietrich alsbald in rauchigem Singsang (und von Gundolf Nandico mit einem drohend-dräuenden Soundtrack unterlegt) ins Mikrofon. „Meinen Geburtstag feiern? Wer seid ihr, dass ihr glaubt, euch eine solche Geschmacklosigkeit anmaßen zu können?“ So einen Satz nähme man auch Marlene Dietrich ab. „Stellt mich wie eine Vogelscheuche aus, um ein Urteil über mich zu sprechen!“ sagt Friedrich/Dietrich mit bösem Blick, und als Riesenschriftzug (mit rotem Coca-Cola-Appeal) fährt das Wort „Sans Soucis“ von hinten nach vorn. Der unwillige Jubilar fährt fort: „Seid meine Leichenfledderer, die heute Abend eine weitere Deutung der Abenteuer meines Lebens ausscheißen!“

„Fritz!“ heißt das Spektakel, von Intendant Tobias Wellemeyer höchstpersönlich gestemmt. Mit ihm beginnt das Friedrich-Jahr, zu dem Potsdam aus Anlass des 300. Geburtstages des Monarchen geladen hat, der das Städtchen einst zum preußischen Versailles machte. Friedrich führte viele Kriege, auch gegen sich selbst, sprach Französisch, dichtete und komponierte. Seine tragische Jugend hat die Fantasie immer wieder beschäftig: das musische Kind, vom brutalen Vater zum Herrscher abgerichtet, der sogar dessen besten Freund hinrichten lässt. Auch die Nazis sahen in dem grimmigen Aufklärer einen Geistesverwandten. Hitler hat nicht nur den gebeugten Gang des alten Fritz imitiert, sondern 1945 dessen Porträt auch noch als Maskottchen für den Endsieg in seinen Führerbunker geschleppt.

Heute ist der alte Fritz eher ein Tourismusfaktor. Wenn demnächst Extrabusladungen die „Friedrich-300“-Touristen in Sans Soucis ausspucken, macht sich natürlich auch ein Friedrich-Stück gut auf dem Spielplan des Potsdamer Theaters. Und das hätte auch ganz wunderbar werden können.

Denn der Transport des Friedrich-Stoffs über das Medium Marlene in die Ufa-Glamourwelt der 30er Jahre ist ebenso naheliegend wie unterhaltungstauglich. In der historischen Revue-Geisterbahn taucht bald ein blonder Thronfolger in SS-Uniform auf (Eddie Irle), dessen Maitressen fließende Satin-Roben und hinreißende Thirties-Frisuren tragen. Dazwischen trippeln Rokoko-Chargen mit gepuderten Turmperücken. Halbnackte, gut gebaute junge Männer mimen hechelnd Friedrichs geliebte Windspiele. Und dessen brutaler Vater, Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. (Roland Kuchenbuch) ist in rotes Plastik gewandet, wenn er den Sohn malträtiert.

Die schrillen Albtraumbilder werden noch gesteigert durch eindrucksstarke Filmprojektionen: Szenen aus dem Leben eines Gepeinigten, der die Männer mehr als die Frauen liebt – von Wellemeyer auch auf der Bühne leider immer ein bisschen zu derb und ohne besondere Finesse inszeniert. Aber damit hätte man allein schon der starken Rita Feldmeier wegen und wegen des megärenhaften Maitressentrios Melanie Straub, Marina Linden und Charlotte Sieglin leben können.

Doch vertraut Wellemeyer seinem bös angelegten Vexierspiel der Friedrich-Bilder nicht. Und auch nicht der Verfasser der Spielvorlage, der Berliner Drehbuchautor und Schriftsteller Uwe Wilhelm. Denn drum herum hat er eine vollkommen überflüssige Rahmenhandlung gebaut, die die eigentliche Geschichte bald überwuchert: die Geschichte von Friedrichs Biografen Henri de Catt, der seinem Chef (so will es hier der Plot) helfen soll, zu Friedrichs Geburtstag eine biografische Oper zu schreiben. Bald sehen wir mehr aus dem uninteressanten Eheleben der Catts denn aus dem des großen Königs. Die Story gerät auf sinistre Nebenschauplätze von Mord und Intrige.

Dazu sind die de Catts als komplett heutige Figuren gestaltet. Das sollte wohl ein ironischer Link zu den servilen Friedrich-Höflingen der Gegenwart und den Tourismusstrategen des Friedrich-Jahrs sein. In Gewirr sinnloser wie uninteressanter Erzählstränge geht der Abend am Ende unter.

■ Wieder am 21. und 22. Januar