RÜBENSUPPE BEI STINKY, WOLLI UND ARELIA
: Werbung in eigener Sache

LIEBLING DER MASSEN

ULI HANNEMANN

Ich bin bei einem völlig unbekannten Radiosender eingeladen. Meine Meinung dazu schwankt zwischen „Wie hab ich mich bloß dazu breitschlagen lassen?“ und „Was für eine zauberhafte Gaga-Idee: eine Sendung, bei der kein Mensch zuhört! Und ich bin dabei!“ Ob jemand zuhört, ist in meinem Fall ohnehin egal. Schließlich vergesse ich auch beim echten Zuhör-Radio regelmäßig das Wichtigste, wie zum Beispiel mein neues Buch, zu erwähnen. Ich bin ein denkbar schlechter Vertreter meiner Interessen. Unter „PR“ verstehe ich ausschließlich das Kfz-Kennzeichen des Landkreises Prignitz, und unter „PR in eigener Sache“ entsprechend das Kfz-Kennzeichen des Landkreises Prignitz in eigener Sache. Also Werbeeffekt null, Sinn null, Aufwand immens. Trotzdem gibt es, was komplett ins Leere gehende Termine betrifft, auf jeden Fall Schlimmeres.

Zum Beispiel so einen klassischen „Wer seid ihr denn?, ach, die Schreiberlinge aus Berlin, ist jetzt blöd irgendwie, da hab ich gar nicht mehr dran gedacht, wie heißt ihr noch mal?, ja doch, klar, toll, dass ihr hier seid, ich weiß jetzt auch nicht, ich muss ja bald weg, am besten ihr meldet euch bei Stinky, der weiß Bescheid, glaube ich ein bisschen, dahinten im Orga-Zelt, und wenn nicht, sucht die Arelia, die ist vermutlich bestimmt im Kiffzelt, wenn nicht, dann hängt sie ganz vielleicht bei den Soli-Müttern neben der Clownswiese ab, so ne große Dünne mit karierten Dreads, hat meistens ne blaue Mülltüte an, ihr selber tretet dann im Kunstzelt auf, am besten ihr stellt euch ne halbe Stunde vorher draußen hin und sagt den Leuten, wer ihr seid, und was ihr macht und so, sonst kommen ja überhaupt keine Zuschauer, außer wenn gerade die Punkband spielt, da fällt mir ein: die wissen ja gar nicht Bescheid, dass ihr vorher und dazwischen euren komischen Kram machen wollt, kann schon sein, dass die dann ein bisschen angepisst sind, aber macht euch nichts draus, nee, Werbung haben wir jetzt nicht gemacht hier bei uns in Draußendorf (Prignitz), also nicht so im eigentlichen Sinn, wir dachten, ihr macht das besser von Berlin aus, dass es kein Geld gibt, hab ich euch ja eh schon vorher geschrieben, ja, doch, hab ich, in der Mail, die ist ja, fürchte ich, auch nie so wahnsinnig richtig angekommen bei euch, da war immer so ne komische Fehlermeldung, blöd irgendwie, ist korrekt, also keine Kohle wie gesagt, leider auch nicht für die Anfahrt, ist logisch, aber dafür ist das hier ja sicher ne Super-PR für euch, ne Supersache, ihr könnt ruhig vier Stunden machen oder länger, damit haben wir kein Problem, dazwischen dann eben Fotzenlimo, wie?, ja, so heißt die Band, ach, apropos, Getränke könnt ihr im Nachbardorf kaufen, da gibt’s sogar nen kleinen Laden, und wenn ihr Hunger habt: dahinten in der Volxküche neben den Dixi-Klos gibt es Rübensuppe mit Wackersteinen, die kostet normal ein Euro fünfzig, aber wenn ihr sagt, dass ihr bei uns im Kunstzelt euer Lesezeug macht, dann kriegt ihr den „Mitti“, also den Mitarbeiterpreis von einem Euro, beruft euch einfach auf Wolli, eigenes Geschirr und Besteck habt ihr ja dabei, hab ich das nicht geschrieben?, ach, Scheiße klar, die Mails wieder, so, und ich muss jetzt mal, gibt ja auch noch wichtige Sachen hier, oh Mensch scheiße, jetzt schneit das auch noch, und die Zelte sind echt superundicht, aber ihr macht das schon, viel Spaß, toi toi toi, lasst krachen, Jungs!“-Auftritt.

Nein, da ist mir der kleine Radiosender schon lieber, der sich irgendwann denkt: „du komischer Mann, was machst du eigentlich hier?“ Ich selber denke mir dasselbe, und doch ist unser Umgang geprägt vom leisen Respekt, den tapfere Loser automatisch füreinander übrighaben.