Das große Spiel

ANTIBOND In „Dame König As Spion“ von Tomas Alfredson wird der Agentenklassiker von John le Carré zwar atmosphärisch dicht, aber leider auch unübersichtlich adaptiert

Ein Smiley mit seiner Virtuosität beim Entwirren der komplizierten Erzählstränge hätte besser auch das Skript geschrieben

VON WILFRIED HIPPEN

George Smiley wurde als Figur von John le Carré wie eine Antithese zu James Bond angelegt. Klein, korpulent, nah dem Rentenalter und mit einer dicken Brille statt einer Walther PPK bewaffnet, ist er ein typischer Büromensch. Und dennoch ist er der wirkliche Superheld des englischen Agentenromans, denn während Ian Fleming die Aktionen des britischen Geheimdienstes als eher infantile Allmachtsfantasien erträumte, waren die Romane von John le Carré, und damit auch George Smiley, den er in acht Romanen aus seiner besten Schaffensphase auftreten ließ, so realistisch und komplex erdacht, dass sie absolut glaubwürdig wirkten.

In „Tinker Tailor Soldier Spy“ (so der Originaltitel) erzählte le Carré 1974 eine der Kerngeschichten der westlichen Spionage nach. Er gehörte zu den britischen Agenten, die in den 60er Jahren von dem berüchtigten Doppelagenten Kim Philby an die Sowjets verraten wurden und diese größten Krise des britischen Geheimdienstes MI 6 hat er in diesem Roman fiktionalisiert. Der altgediente Agent George Smiley wird aus dem Ruhestand in den aktiven Dienst zurückgerufen, weil sich offensichtlich ein „Maulwurf“ in den obersten Rängen des MI6 eingenistet hat. Smiley selber wird nur deshalb nicht verdächtigt, weil er nicht mehr Funktionsträger ist, aber einer seiner vier Kollegen, deren Codenamen den Titel bilden, arbeitet für Karla, Smileys ewigen Gegenspieler auf der russischen Seite. In dieser labyrinthischen Schattenwelt ist nichts wie es scheint, jeder arbeitet gegen jeden, jeder wird von jedem heimlich abgehört und die Spirale der Intrigen und Gegenintrigen, Täuschungen und Ablenkungsmanöver erreicht immer absurdere Höhen der Paranoia.

Nach „Der Spion, der aus der Kälte kam“ ist dies einer der besten Romane von Le Carré, und die BBC drehte 1979 bereits eine siebenteilige Fernsehadaption, in der Alec Guinness zum ersten Mal als die perfekte Verkörperung von George Smiley zu sehen war. Dessen buddhahafter Abgeklärtheit setzt Gary Oldman nun eine ähnlich intensive Mischung aus Kälte und Müdigkeit entgegen. Sein Smiley ist noch grauer und unscheinbarer, aber auch ihm gelingt es, in dieser Rolle etwas auszudrücken, was zu den schwierigsten Aufgaben für Schauspieler gehört. Denn Intelligenz kann man nicht vortäuschen und viele Darsteller sehen eher dumm aus, wenn sie brillante Köpfe beim Denken spielen sollen, aber Oldman nimmt man den meisterhaften Strategen in jeder Szene ab.

Jemand mit den Talenten von Smiley hätte besser auch das Skript geschrieben, denn seine Virtuosität beim Entwirren der komplizierten Erzählstränge fehlte leider den beiden Drehbuchautoren Bridget O’ Connor und Peter Straughan. So ist der Geschichte oft nur schwer zu folgen. Natürlich ist genau dies ja der Witz bei diesem Verwirrspiel, und nicht umsonst hat sich das britische Fernsehen über fünf Stunden Zeit für die erste Adaption genommen, aber wenn hier zum Teil in sekundenlangen Einstellungen solche wichtigen Plot-Entwicklungen wie der Tod von Smileys Mentor Control abgehandelt werden, ist dies schlicht ungeschickt erzählt. So bekommen auch die vier Verdächtigen nicht den nötigen Raum, um auf der Leinwand lebendig zu werden, sodass man nie wirklich ein Interesse dafür entwickelt, wer von ihnen der Verräter ist.

Doch dies Schwäche macht der schwedische Regisseur Tomas Alfredson mit seiner atmosphärisch dichten Inszenierung schnell vergessen. Schon in seinem Vampirfilm „So finster die Nacht“ zeigte er sich als ein Meister der dunklen, nordisch kalten Stimmungen. Hier arbeitet er viel mit Brauntönen, Schatten und einem fahlen Licht. Mit seinen kühlen, fast kalten Bildern sowie der nüchternen Tristesse der Inszenierung trifft er genau den Ton, der le Carrés lakonischem Erzählstil entspricht.