SETZEN SIE SICH
: Kool & The Gang

Laut Enzensberger bin ich eine arme Sau

Zuerst zur Schneiderin, die eine Hose entweder weiter oder enger machen sollte, was ich aber hier nicht verrate, weil dann jeder mit einer gewissen Genugtuung denkt, der ist also auch fetter geworden, oder neidisch eben auf das Gegenteil. Die Schneiderin ist sehr dick, fast so breit wie hoch, also eher eine Kugel. Meine Probleme hat sie nicht.

„Hab’s wieder nicht geschafft“, sagt sie, denn gestern hatte sie es auch nicht geschafft. Dann sagt sie, „Setzen Sie sich, ich mach das schnell.“ „Ne, ich hab noch was zu tun“, sage ich. Sie will mich umstimmen: „Immer, wenn ich Sie hier reinkommen sehe, muss ich an Kool & The Gang denken.“ „Was?“, frage ich, weil mich das verwirrt. „Kool & The Gang! Kennen Sie nicht?“ Dabei schwingt sie ihren Hüftspeck und lacht. „Doch“, sage ich und lache auch, allerdings mehr aus Verlegenheit, denn von Kool & The Gang kenne ich nur den Namen.

Dann gehe ich zum Kuaför, der mir sagt, ich solle mich bitte setzen, da wären noch zwei Leute vor mir. Ich sage, keine Zeit, ich käme später wieder. Auf dem Stempel, den ich im Stempelladen abholen will, steht nur die Hälfte, nämlich Bitter. Ohne Mann. Der Stempel-Mann sagt: „Setzen Sie sich, ich schnitze Ihnen schnell einen neuen.“ Sagt er natürlich nicht, aber es hätte mich nicht gewundert. Eigentlich schade, dass man die ganze Zeit nicht hat, die zu verplempern einem überall großzügig angeboten wird. Laut Enzensberger bin ich eine arme Sau, denn Reichtum bedeute nicht nur viel Geld, das ich auch nicht habe, sondern auch viel Zeit. Dieser Gedanke deprimiert mich ein wenig, aber auch, dass gar nichts geklappt hat. Auf dem Nachhauseweg tröste ich mich deshalb mit einem Kalauer von Wolfgang Stumph: „Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich vielleicht gar nicht so richtig gekommen.“ Daheim gebe ich bei Google Kool & The Gang ein. Aber da stürzt mein Computer ab.

KLAUS BITTERMANN