Deeper Herzschmerz

HIPHOP Glamour, Bürgerrechtsbewegung und eine Portion Soul dazu: Das kriegt der Rapper Common auf seinem neuen Album unter einen Hut

Rap-Superstar, liebender Vater, spiritueller Ghetto-Prophet: Common wechselt halt die Perspektiven

VON FATMA AYDEMIR

Endlich wieder ein Rap-Album zum unbeschwerten Kopfnicken. Common, selbsternannter „hopeless HipHop romantic“ aus Chicagos South Side, besinnt sich auf seinem neuen Album „The Dreamer/The Believer“ auf seine Stärke: das Einfache.

Synthetische Klänge, zugepflasterte Arrangements und Auto-tune-Vocals prägen nun schon seit einigen Jahren den Sound des US-Rap. Das mag nicht jedermanns Sache sein. Vor allem eingefleischte Fans philosophieren bereits über den Tod des Genres. Aber jede Veränderung hat doch irgendwie ihre Berechtigung. Schauderhaft wird es jedoch, wenn das Mutterland des HipHop den Euro-Dance als Klangquelle für sich entdeckt und alle Rapper auf den Zug aufspringen. Fast alle.

Common, der eigentlich Lonnie Rashid Lynn Jr. heißt, gehört zu den wenigen kommerziell erfolgreichen HipHop-Künstlern, die eben dieser Mode entgegenwirken. Nach diversen Schauspielprojekten („Smokin’ Aces“), einem Buch und acht stilistisch variierenden LPs widmet sich Common nun der klassischen Rap-Ästhetik, nach der man heute, im Zuge der Synthetisierung aller Klänge, im HipHop vergeblich sucht.

Doch ist das nicht zwingend unzeitgemäß. Zeitlos, vielmehr, sind die teilweise Old-School-anmutenden und doch modernen Produktionen von No I.D., mit dem Common bereits seit Beginn seiner Karriere häufig zusammengearbeitet hat und der für den Sound des gesamten Albums verantwortlich zeichnet. „The Dreamer/The Believer“ ist nicht unbedingt eine Überraschung. Die acht Common-Alben, die ihm vorausgingen, unterscheiden sich stilistisch zwar voneinander, doch gibt es einen roten Faden, der sich bis in das neue Werk durchzieht: Commons Gespür für Atmosphäre, die Liebe zum Soul und sein Hang zur Schlichtheit.

Ärger mit Bush

Immer, wenn es Gefahr läuft, fade zu werden, traut sich das Album ein bisschen Pop („Mr. Blue Sky“), ein bisschen R ’n’ B („The Believer“ feat. John Legend) zu, doch bleibt unverkennbar HipHop als Zeichensystem.

Der bald 40-jährige Common zählte zu den aktiven Unterstützern von Barack Obamas erstem Präsidentschafswahlkampf. Doch auf diesem Album verzichtet er weitgehend auf politisch brisante Themen, nachdem seine Einladung ins Weiße Haus im vergangenen Jahr für Furore gesorgt hatte. Schuld waren kritische Äußerungen Commons über George W. Bush, die von den Medien maßlos zugespitzt wurden. Hinzu kam seine Nähe zur ehemaligen Black-Panther-Aktivistin Assata Shakur, die seit 1979 vom FBI gesucht wird und die Common in Kuba besucht hat, wo sie politisches Asyl genießt.

Auf „The Dreamer/The Believer“ möchte Common nun weniger polarisieren. Er wechselt die Perspektiven zwischen dem Rap-Superstar mit überschwänglichem Ego, dem liebenden Vater und dem spirituellen Ghetto-Propheten („I’m the voice of the meek and the underpriviledged“). Aufgesetzt wirkt das nicht. Es ist eine Mischung aus Rollenspiel und verschiedenen Aspekten eines Charakters.

Die passende Einführung ist der Song „The Dreamer“: assoziative Phrasenfolgen um Hoffnung und Dankbarkeit, gehüllt in klassische Rap-Techniken, ein ungebrochener Flow, der sich mühelos an das Instrumental schmiegt.

Verträumte, treibende Klänge und sanfte Backgroundvocals fließen so vor sich hin und weg, würden sie nicht von den harten Drums abgefedert, deren Monotonie den breiten Klangteppich gekonnt zusammenhält und zu einem geschlossenen Ganzen macht. Die gelungene Symbiose aus Commons Raps und No I.D.s Beats bewahrheitet sich schnell auf diesem Auftaktsong, der noch um eine dritte Achse ergänzt wird. Die Schriftstellerin und Bürgerrechtlerin Maya Angelou deklamiert ein Gedicht über die Notwendigkeit von Träumen und das lohnenswerte Wagnis, mehr zu hoffen, als einem zugestanden wird.

Auch „Ghetto Dreams“ handelt von Träumen, allerdings erotischer Natur. Mit einem subtilen Augenzwinkern und fast schon epischer Machopose nutzen Common und die nicht unumstrittene New Yorker Rapgröße Nas den Gegenstand der imaginierten Traumfrau als Szenerie für ein aufregendes Flow-Theater. No I.D. packt dafür das großartige „Let’s make it last“ von The Fellows (1967) aus seiner Plattenkiste, um es zu sampeln. Für romantische Liebesvorstellungen bleibt da wenig Platz. Der Song ist rau, der Sound ist dreckig, die Hookline nur ein gesampelter Einzeiler: „Ghetto Niggas’ Dreams“.

Klischeehaft und grandios

Objekt der Begierde ist die Dame aus der Nachbarschaft, die sich im Fernsehen Reality-Shows reinzieht und mit einem Joint in der Hand halbnackt in der Küche Pfannkuchen wendet. Klischeehaft, aber grandios.

Einfühlsamer geht es auf „Lovin’ I lost“ zu. Melodramatisch wird es dennoch nicht, zählt Common doch zu den wenigen Rappern, die von Herzensangelegenheiten erzählen können, ohne pathetisch zu werden. Mit halbironischem Wortwitz behandelt Common seinen Trennungsschmerz und wird dabei so emotional wie es seine Street-Credibility gerade noch zulässt. Sample-Liebhaber No I.D. setzt auf die sichere Nummer und verarbeitet den Soul Curtis Mayfields, der die deepe Stimmung des Stücks ausmacht: sonniger Herzschmerz.

Der doppelte Albumtitel ergibt Sinn. Auf „The Dreamer/The Believer“ gehen obligatorische Merkmale eines HipHop-Albums wie Battlerap („Sweet“), Selbstglorifizierung („Gold“) und Partysongs („Celebrate“, „Raw“) Hand in Hand mit tiefgründigen Themen, wie der Vater-Tochter-Beziehung („Windows“) und dem Glaubensbekenntnis („Pop’s Belief“). Commons Poesie bewegt sich zwischen Straßenromantik und Weltbürgertum, aber verliert sich meist in der Bemühung, die goldene Mitte zu finden. Tragisch ist das nicht, da Common, anstelle der Gedanken gezielt die Fülle seiner technischen Mittel ausschöpft, wo ihm wenige das Wasser reichen können.

So schießt sich Common in sichere Horizonte und es gelingt ihm, locker aus der Hüfte, einen soliden Klassiker hinzulegen.

 Common: „The Dreamer/The Believer“ (Think Common/Warner)