Kick it like Emma

ACTION In „Haywire“ lässt Steven Soderbergh die Kampfkünstlerin Gina Carano auf Ewan McGregor, Michael Fassbender, Antonio Banderas und Michael Douglas los

Soderbergh weiß wie lächerlich und ausgeleiert sein Plot ist, und nimmt ihn nie wirklich ernst

VON WILFRIED HIPPEN

Weibliche Superhelden gibt es auf der Leinwand schon fast so lange wie das Kino selber. In „Die Vampire“ von 1915 ließ Louis Feuillade die titelgebende Gangsterbande von einer stets maskiert und in engen, schwarzen Hosenanzügen auftretenden Heldin mit dem Namen „Irma Vep“ leiten, die besser rauben, kämpfen und über die Dächer von Paris turnen konnte als jeder Mann. Doch am schönsten hat im letzten Jahrhundert Emma Peel die Herren versohlt. In jeder Folge der Fernsehserie „Mit Schirm, Charme und Melone“ bestand der letzte Akt aus einer großen Keilerei, bei der Diana Rigg (ihre Vorgängerinnen und Nachfolgerinnen sind längst vergessen) oft in engem schwarzen Leder eingepackt die Schurken mit wohl gezielten Karateschlägen außer Kraft setzte. Dass dabei eher der geschickte Schnitt als ihre Kampftechnik die schöne Frau so unbesiegbar wirken ließ, hat niemanden gestört. Auch Angelina Jolie mag als Lara Croft einige Stunts selber gemacht haben, aber ihre Kämpfe hat sie dank der Spezial-Effekte gewonnen. Im asiatischen Kino gibt es dagegen eine Tradition des „realistischen“ Kampfes im Kino. Bruce Lee, Jackie Chan und Jet Li werden eher als Kampfsportler denn als Schauspieler verehrt, und in ihren Filmen wird die Kamera bei den entsprechenden Szenen fast dokumentarisch eingesetzt, um deutlich zu machen, dass sie wirklich so virtuos um sich schlagen können. In chinesischen Actionfilmen sieht man inzwischen auch einige Frauen ähnlich professionell kämpfen und Michelle Yeoh war immerhin das schlagkräftigste aller Bondgirls in „Der Morgen stirbt nie“. Doch so hart wie Steven Soderbergh in „Haywire“ hat noch kein westlicher Regisseur seine Hauptdarstellerin zuschlagen lassen.

In der Welt der so genannten „mixed martial arts“ ist Gina Carano so berühmt wie die Klitschko-Brüder beim Boxsport. Im Jahr 2008 war sie die fünfte auf der Yahoo Top Ten Liste der einflussreichsten Frauen. Sie ist zwar keine Schauspielerin, aber SportlerInnen sind immer auch Vorführende, die ein genaues Gespür dafür haben, wie sie und ihre Körper wirken. Steven Soderbergh hat sie nicht etwa, wie sonst üblich, für diese Rolle besetzt, sondern umgekehrt ihre Figur, ja den gesamten Plot des Films für sie maßgeschneidert. So hat sie ausführlich Gelegenheit für genau choreografierte Kämpfe, die eher in langen Einstellungen fotografiert wurden, sodass Caranos Kampfkunst voll zur Geltung kommen kann. Doch Soderbergh ist solch ein guter Stilist, dass diese Szenen nie zum Selbstzweck werden. Sie sind so geschickt in die Geschichte eingebettet, sind im Detail so überraschend und einfallsreich inszeniert, dass man kein Fan des Genres sein muss, um von „Haywire“ gut unterhalten zu werden.

Erzählt wird wieder einmal die Geschichte von Geheimdienstagenten, die einander betrügen, in Intrigen locken und sich gegenseitig umbringen wollen. Gina Carano spielt eine Topagentin mit dem schönen Namen Mallory Kane (erst Latein für das Böse und dann Englisch für Rohrstock), die nach einem scheinbar erfolgreichen Einsatz plötzlich merkt, dass sie zum Sündenbock gemacht und eliminiert werden soll. Sie wehrt sich nach Kräften, immer sehr fotogen und in attraktiven Drehorten wie Barcelona, Dublin und der schneebedeckten Wüste von New Mexico. Soderbergh weiß natürlich, wie lächerlich und ausgeleiert sein Plot ist, und nimmt ihn nie ganz ernst, wodurch eine durchgängig entspannte, selbstironische Grundstimmung entsteht. So kann er sich Verkürzungen leisten (bei denen etwa die Planung und die Ausführung einer Gefangenenbefreiung durch eine Parallelmontage in einem Abwasch erledigt werden) und elegant mit einer Pointe statt mit dem gängigen großen Knall enden.

Soderbergh, der erst vor ein paar Monaten mit dem viel ambitionierteren Drama „Conatagion“ über eine weltweite tödliche Epidemie in den Kinos war, inszeniert seine Genrefilme wie „Out Of Sight“ und die „Ocean 11, 12, 13“-Serie mit der gleichen Stilsicherheit und Intelligenz wie seine Filmkunst. So kann man sich bei „Haywire“ auch für die grandios eingesetzte Filmmusik von David Holmes begeistern, der genau den Ton der coolen, jazzigen Soundtracks trifft, die etwa Lalo Schifrin, Quincy Jones und Don Ellis für Thriller in den 70ern komponiert haben.

Soderbergh hat den dann doch etwas fadenscheinigen Plot dadurch gut ausgepolstert, dass er eine bemerkenswerte Reihe von Stars gegen Gina Carano antreten lässt. In zum Teil nur sehr kurzen Auftritten sind Michael Douglas, Ewan McGregor, Antonio Banderas, Channing Tatum und Michael Fassbender ihre Widersacher, und dass auch in den (zugegeben wenigen) ruhigen Szenen keiner von ihnen Gina Carano in ihrem ersten Film überstrahlt, ist eine weitere Überraschung. Und über eine ihrer Kampfszenen, bei der die Männer im Publikum eher zusammenzuckten, haben zumindest beim Preview in der Bremer Schauburg nur die Frauen gelacht.