Das Verspielte hat sie sich erhalten

FÖRDERPREIS „Bella triste“, eine Zeitschrift für junge Literatur, versucht sich zwischen populär und anspruchsvoll. Die Kurt-Wolff-Stiftung zeichnet sie jetzt aus

Gattungsgrenzen überwuchern einander, Satzzeichen springen, Worte verrutschen

Die Bella triste gilt als eine der vielseitigsten Publikationen für deutschsprachige Literatur. Bereits seit einem Jahrzehnt erscheint die Bella – so nennen sie ihre Fans. Eine lange Zeit für ein junges Magazin. Umso schöner, dass die „Zeitschrift für junge Literatur“ auf der Leipziger Buchmesse nun den Förderpreis der Kurt-Wolff-Stiftung erhält.

Längst stammen die AutorInnen nicht mehr nur aus dem Kreis des Studiengangs Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus an der Universität Hildesheim, aus dem heraus die Zeitschrift gegründet wurde. Das Verspielte aber hat sich Bella triste erhalten. Neben Prosa und Lyrik bietet sie Sachtexte, Installationen und Comicstrips. Seit der Herbstausgabe 2011 hat sie das Repertoire zudem um eine eher sperrige Gattung erweitert: das Drama. Ein mutiger Schritt, selbst große Verlage drucken kaum noch Stücktexte.

Neben „Edit – Papier für neue Texte“ ist Bella triste die wichtigste Kaderschmiede des Literaturbetriebs. Bekannte AutorInnen wie Judith Hermann, Daniel Kehlmann oder Marion Poschmann veröffentlichten neben Unbekannten. Die Zeitschrift biete „mit Witz, Spürsinn und kompositorischer Eleganz der jungen Gegenwartsliteratur eine Plattform, auf der sie in die Welt schaut und über sich selber reflektiert“, begründete das Kuratorium der Kurt-Wolff-Stiftung den Förderpreis.

Typografisch sind die Ausgaben originell: Trotz wilder Farbakzente ist die Gestaltung zurückhaltend, luftig, mit vielen grafischen Elementen. Auch die Texte selbst sind gelassen – eine angenehme Abwechselung zum sonst so üblich gewordenen Spektakel.

Einer der ersten der neuen Nummer stammt von Joseph Felix Ernst, dem Gewinner des Open Mike 2011. In seinem „Brief eines Mordbuben No. 1“, einer Montage aus Gerichtsakten, Lexikon- und Magazinartikeln, entsteht die Geschichte von Jack the Ripper neu. Gattungsgrenzen überwuchern einander, Satzzeichen springen, Worte verrutschen.

Im blutrünstigen „Dear Boss“-Brief, der durch die Interpunktionsfehler des Originals eine verstörende Poesie entfaltet, gehen Zeilen aus „Max und Moritz“ auf. Im Anhang gibt es nüchterne lexikalische Querverweise: Darm, Pansen, Woman. Lisa Danulat präsentiert einen misogynen Dialog im Stil des antiken Dramas. Anstatt eines Interviews wird der Dichter Oswald Eggert aus Schnipseln der eigenen Werke porträtiert, „geschnitten und selbst beantwortet von J. S. Guse“.

Fulminante Prosastücke

Die 136 Seiten der Nummer 32 sind voll von verspielten Montagen, Theaterstücken und Tagebucheinträgen. Miniaturzyklen folgen auf verwirrende Installationen und fulminante Prosastücke. Zwar ist die kommende Ausgabe klassischer als das vorvorletzte Heft. Gattungen und Typografie werden dennoch lustvoll durcheinandergerüttelt.

Gemeinsam mit Edit, randnummer, sprachgebunden und Umlaut tritt Bella triste auf der Leipziger Buchmesse mit einem Gemeinschaftsstand und einer Lesebühne auf. Dass die verspielte Bella triste und nicht etwa die seriösere Edit für den Förderpreis ausgewählt wurde, mag viele überrascht haben. Schließlich hat Edit, angeschlossen an das traditionsreiche Leipziger Literaturinstitut, eine größere Öffentlichkeit, wird im Betrieb ernster genommen, ist aber auch behäbiger. Ehemalige MitarbeiterInnen haben längst den Absprung in die großen Verlagshäuser geschafft.

Die Bella triste hingegen kämpft noch um Anerkennung, ohne dabei viel Lärm zu machen: Das bietet eine Chance für experimentelle Literaturformen. Mit dem mit 5.000 Euro dotierten Förderpreis wird die Bella gelassen auf Kurs bleiben. Die Herbstausgabe, die sich zum Drama bekannte, war ein Versprechen auf mehr. Bella triste wird den Spagat zwischen Zugänglichkeit und schwer verkäuflichen Formaten halten. SONJA VOGEL

Bella triste – Zeitschrift für junge Literatur, Nummer 32 erscheint am 15. März, 5,35 Euro ■ Die Verleihung des Förderpreises findet am 16. März um 13 Uhr im Berliner Zimmer der Leipziger Buchmesse statt