Go East, Old Woman

RENTE In „Best Exotic Marigold Hotel“ von John Madden beschließt eine Reihe von älteren Briten, dass es für sie besser sein könnte, ihren Lebensabend in Indien zu verbringen

Wie komisch es sein kann, wenn in einem Hotel nichts funktioniert, weiß seit der Fernsehserie „Fawlty Towers“ jeder Brite

VON WILFRIED HIPPEN

Wenn man in England, Australien oder den USA von einem Callcenter angerufen wird oder einen Telefonservice nutzt, ist inzwischen die Wahrscheinlichkeit groß, dass der Ansprechpartner einen indischen Akzent hat. Die meisten telekommunikativen Dienstleistungen sind in den angelsächsischen Ländern längst global ausgelagert worden, und so basiert eine schnell wachsende Beschäftigungsbranche in Indien darauf, dass Englisch dort Amts- und Bildungssprache ist.

Ähnliches passiert inzwischen auch mit medizinischen und pflegerischen Dienstleistungen, und da die britischen Filmemacher immer gerne sozialpolitische Tendenzen als Basis für Komödien nutzten (der Abbau der Bergbauindustrie bei „Brassed Off“, die steigende Arbeitslosigkeit bei jungen Männern in „Ganz oder gar nicht“ usw.), hätte man einen Film zum Thema „outsourcing the old“ fast erwarten können. In der noch etwas holprigen Exposition von „The Best Exotic Marigold Hotel“ wird eine Reihe von englischen Senioren vorgestellt, die plötzlich merken, dass sie sich in ihrer Heimat nicht den Lebensstil leisten können, den sie sich für ihren Lebensabend erhofft hatten. Pensionen und Renten sind niedriger als erwartet, das Wohnen und die medizinische Versorgung werden immer teurer, und alte Menschen werden nicht mit Respekt, sondern eher mit Verachtung behandelt.

Mit ständigen Perspektivwechseln und Szenen, in denen möglichst schnell und kompakt die Problematik jeder einzelnen Filmfigur dargestellt werden soll, wirkt dieser Anfang überladen und hektisch. Doch diese stilistische und dramaturgische Nervosität ist zum Teil auch so gewollt, denn so kommt man zusammen nach etwa zehn Minuten mit den Protagonisten ein wenig erschöpft und genervt in Indien an. Sie alle hatten eine sehr verführerisch wirkende Seite im Internet gesehen, in der „The Best Exotic Marigold Hotel“ in Jaipur als ein paradiesisches (und preisgünstiges) Altersheim für Gäste aus Großbritannien angepriesen wurde. Das Hotel erweist sich als eine heruntergekommene Bruchbude, doch der Hotelmanager ist ein idealistischer junger Mann, der so enthusiastisch von seinem Luftschloss (oder besser -hotel) träumt und sich so unbeholfen rührend um alles bemüht, dass die Briten erstaunlich geduldig und gelassen mit den kleinen Katastrophen des Hotelbetriebs umgehen.

Und auch der Film selber macht es sich schnell im Hotel bequem. Plötzlich wirkt die Inszenierung trotz der vielen verschiedenen Erzählstränge viel ruhiger und pointierter, die einzelnen Episoden gehen so natürlich ineinander über wie die Protagonisten nebeneinander wohnen und einander ständig begegnen. Und wie komisch es sein kann, wenn in einem Hotel nichts funktioniert, weiß seit der Fernsehserie „Fawlty Towers“ mit John Cleese jeder Brite. Aus diesem Fundus schöpft der Regisseur von „Shakespeare in Love“ John Madden reichlich. Kein Licht, kein Telefon, schlechtes Essen, Zimmer ohne Türen – alles Hindernisse, die mit einem guten Gespür für Situationskomik überwunden werden müssen. Und mit Dev Patel hat Madden für die Rolle des Hotelmanagers einen Sympathieträger gefunden, den als einen der wenigen indischen Darsteller auch ein westliches Publikum kennt, denn er war der „Slumdog Millionär“.

Und auch bei den anderen Darstellern nutzt Madden geschickt das durch vorherige Filme geschaffene Image der Stars. So hat man Maggie Smith doch sicher schon einmal als eine von allem, was nicht britisch ist, pikierte alte Jungfer gesehen („Wenn ich es nicht aussprechen kann, esse ich es auch nicht!“) und auch Judi Dench ist einem als eine einsame Romantikerin, die sich nach dem Tod ihres Mannes für eine neue, späte Romanze vorbereitet, von der ersten Szene an vertraut. So wirken die kleinen Geschichten um die Hotelgäste dramatischer und tiefer, als es das Drehbuch eigentlich hergeben dürfte. Die Guten werden belohnt, die Bösen entweder bekehrt (wie die herrschsüchtige Mutter des Hotelmanagers) oder (wie Celia Imrie als ewig keifende Gattin) zur Strafe zurück nach Großbritannien geschickt. Und schließlich endet alles so perfekt und idyllisch, dass fast der Verdacht aufkommen könnte, der Film sei von der britischen Regierung in Auftrag gegeben worden, um die Alten aus dem Land zu locken.