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: Wurst werden sie später

„The Texas Chainsaw Massacre“. Regie: Tobe Hooper, USA 1964. Die Collector’s Edition von Turbine Medien (FSK 18) ist für rund 24 Euro im Handel

In Deutschland war der Film lächerlicherweise seit den achtziger Jahren verboten

Dem eigentlichen Geschehen vorgelagert sind aufblitzende Bilder: zombiehaft halb verweste Körpern, Hände mit überlangen Nägeln, defigurierte Köpfe, von Gesichtern kann man kaum reden. Ein Grabschänder geht um im tiefen Texas und etwas, die Zeit, die Wirklichkeit, die Normalität, ist ganz und gar aus den Fugen, von Anfang an in diesem Film. Das Böse schleicht sich nicht ein, das Böse ist schon da, auch wenn es so richtig erst Gestalt annehmen will, als ein diabolisch-wahnsinniger Anhalter die Szene betritt. Fünf junge Menschen, unterwegs im Kleinbus, einer von ihnen – Franklin – im Rollstuhl, man hört Musik, das Radio läuft, das könnte alles sehr unschuldig sein, ein Sommerausflug, aber das ist es nicht.

Da ist der Sound, ein Drone, der nichts Gutes verheißt. Da sind die schnellen Schnitte, nach drinnen, nach draußen, von ganz nah in die Totale und wieder zurück. Da ist die Kamera, die gerne tief lauert irgendwie drunten und Bewegungen macht, die erst einmal leise verstören. Und dann ist da, nach einer ersten, noch nicht adressierbaren Irritation (beim Pinkeln am Highwayrand gerät Franklins Rollstuhl in Bewegung, Franklin fällt raus und kullert den Abhang hinunter), der verrückte Anhalter mit dem blutigen Feuermal im Gesicht. Er schneidet sich mit dem Messer die Hand auf, er fährt mit dem Messer Franklin über den Arm. Noch werden die Körper nur an der Oberfläche geschlitzt. Wurst werden sie später.

Eine Tankstelle ohne Benzin, ein Zwischenstopp im verfallenen Haus. Spinnen krabbeln in einer Ecke und der Ton streichelt einem dabei wie die Hand eines Toten über die Haut. Eine Wegstrecke noch, alle zieht es da hin, als wollten alle ihr Unglück, da geht es zum anderen Haus, da lauern mit Ledergesicht, Kettensäge, dem Opa, dem Tankstellenmann und dem sehr spitzen Haken im Keller Tod und Verderben und Fleischfabrikation. Gelauert wird freilich nicht lange. Schnell und unvermittelt geht es auf ihn, auf sie, auf uns mit Gebrüll. Es ist die Kettensäge, die lärmt, es sind die Drone-Sounds, die durch Mark und Bein fahren, es ist die Nacht mit dem Mond zwischen den Bäumen, der teilnahmslos am dunklen Himmel hängt und ein- oder zweimal das Bild ist, in das sich der Film für einen kurzen Ruhemoment rettet.

„The Texas Chainsaw Massacre“ ist kein Horrorfilm in dem Sinn, dass etwas Schreckliches immerzu droht. Ein Splatterfilm in dem Sinn, dass man eine furchtbare Lust aus dem metzgerhaften Umgang mit dem menschlichen Körper zöge, ist er ebenso wenig. Gewiss, es droht auch was. Gewiss, es wird auch gemetzgert. In Wahrheit aber löst sich der Horror als das Grauen, das mit dem Hereinbrechen droht, immer sehr schnell ins Schlimmere auf: in den Terror der reinen Anwesenheit des Grauens, in Gestalt des dröhnenden und feixenden Bösen. Der Opa mit bleichem Zombiegesicht (ein über dem fahlen Rumpf aufgegangener Mond), der Tankstellenmann, bei dem in der Ecke die Wurst hängt, der irre Anhalter, der Blut sehen will, und das Ledergesicht mit Kettensäge und Wuschelhaar: All das versammelt sich am Abendmahltisch zur Menschenfleischspeise unter Dronesoundgedröhn und großem Geschrei, es herrscht das unvermischte Entsetzen.

„The Texas Chainsaw Massacre“ ist ein Film wie kein anderer. Mit kaum Geld, aber großer Konsequenz zum Anschlag gedreht. Die Zutaten mögen grob sein, das Schauspielvermögen begrenzt, aber alles, was in anderen Fällen einem Werk abträglich wäre, summiert sich hier zur vollen texanischen Dröhnung. In Deutschland war der Film, der längst ein Klassiker ist, lächerlicherweise seit den achtziger Jahren verboten. Turbine Medien zog vor Gericht, bekam Recht und legt nun eine mustergültige Edition vor. Das ist die gute Nachricht. Die bessere ist, dass „The Texas Chainsaw Massacre“ auch nach vierzig Jahren noch seine Terrorwirkung entfaltet.

EKKEHARD KNÖRER